NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Ihrer Bürogemeinschaft ist das Thema Nachhaltigkeit ein grundlegendes Anliegen, Sie entwickeln „ganzheitliche, nachhaltige Lösungen für Fragen der Architektur und Stadtplanung“, auch im Schwerpunktland unseres aktuellen NAX-Reports, in China. Wie ist aus Ihrer Sicht die aktuelle Lage zum Thema Nachhaltigkeit in China? Findet ein Umdenken statt?
FR: Noch vor wenigen Jahren war hier echte Überzeugungsarbeit in den Gesprächen notwendig, doch jetzt merken wir schon, dass das Thema Nachhaltigkeit auch bei chinesischen Auftraggebern immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Es gibt ein breites Bewusstsein in der Bevölkerung, dass die Entwicklung so nicht einfach weiter gehen kann.
Die Menschen sind nicht mehr bereit, die Umweltverschmutzung als Preis für die Urbanisierung zu zahlen.
Gerade erst hat China ein Urbanisierungsgrad von 50% erreicht, mit dem Ziel, diesen in den nächsten Jahren auf bis zu 70% zu steigern. Daher gibt es auf kommunaler Ebene ein stetig wachsendes Interesse an nachhaltigen städtebaulichen Lösungen.
In den letzten 5 Jahren gab es regelrecht einen Boom an Planungen für „Eco Cities“. Die Erfahrung aus unseren Projekten hat uns gelehrt, dass es nicht allein damit getan ist nachhaltige Konzepte zu entwickeln und dann die Kommunen in der Umsetzung damit allein zu lassen. In den nächsten Phasen kommen dann andere Interessen und Zwänge mit hinzu, die oftmals dazu führen, dass gute Konzepte verwässert werden und von ursprünglichen Zielen deutlich abgewichen wird. Daher gilt es nun Steuerungsinstrumente zu entwickeln, die dafür Sorge tragen, dass frühzeitig alle Akteure mit eingebunden werden und die definierten Ziele auch so umgesetzt werden.
In allen großen Städten Chinas sieht man eine wachsende Zahl an gerade realisierten Hochbauprojekten, die als „green“ oder „eco“ aktiv beworben werden, jedoch würden wir diese nicht immer auch als besonders nachhaltig bewerten. Bei diesen Projekten steht oftmals die Vermarktung im Vordergrund, sprich was nachhaltig ist, muss sich auch einfach an den Endkunden kommunizieren lassen. Der Vermeidung von Wärmebrücken wird dann zum Beispiel weniger Aufmerksamkeit geschenkt als der Nutzung von Photovoltaik. Nachhaltigkeit soll nicht zu Lasten des Komforts gehen, die gesetzten Ziele in Bezug auf Nachhaltigkeit sollen primär durch den Einsatz neuester Technik erreicht werden, hier gibt es auf Bauherrnseite eine große Offenheit für die neuesten Lösungen. Wir versuchen, dem immer auch ganzheitlich zu begegnen und den Bauherrn auch Möglichkeiten aufzuzeigen, die nicht immer mit Mehrkosten verbunden sind. So kann man oft schon durch eine kompaktere Gebäudestruktur den Energieverbrauch senken und sogar Baukosten sparen.
Eine wichtige Frage ist auch, wie man Nachhaltigkeit misst. Hier gibt es neben BREAM und LEED seit einiger Zeit nun auch ein Chinesisches nationales Green Building Label, das „Three Star System“ (Anmerkung der Redaktion: Informationen z.B.>> hier), welches immer häufiger Anwendung findet.
Als deutsches Büro treffen wir aber auch immer häufiger sehr gut informierte und vorbereitete Bauherrn, die uns dann nach dem DGNBDGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V. Standard, dem Passivhaus oder dem Energieausweis der DENA fragen, sowie nach den Unterschieden all dieser Bewertungssysteme. Hier würden wir uns wünschen, dass sich die deutsche oder gar europäische Wirtschaft auf ein System einigen könnte, soweit eines davon auch international erfolgreich sein sollte.
NAX: Welche Ratschläge können Sie deutschen Architekten mit auf den Weg geben, die in China bauen wollen?
FR: Grundsätzlich ist China ein sehr interessanter Markt, der von einer hohen Dynamik geprägt ist. Man findet dort Projekte in ganz anderen Größenordnungen als hier, die man in dafür relativ kurzer Zeit umsetzen kann. Man sollte sich dabei aber bewusst machen, dass in China ein sehr starker internationaler Wettbewerb herrscht und sich die chinesischen Planungsbüros mittlerweile auf die internationale Konkurrenz eingestellt haben. Viele Auftraggeber erwarten mittlerweile eine Präsenz vor Ort und Erfahrung mit dem chinesischen Planungsrecht. Der Schritt nach China sollte gut vorbereitet sein, sei es durch entsprechende Kapazitäten im eigenen Büro oder die Wahl eines externen Partners.
NAX: Vielen Dank, lieber Herr Ripperger, und weiterhin viel Erfolg!