Als NAX-Pate aktiv in den USA

Fragen an Dipl.-Ing. Ben Dieckmann (BD), Director, ingenhoven architects

Ben Dieckmann

Ben DieckmannPhoto: Ingenhoven architects

NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Sie sind in den USA aktiv. Seit wann und wo in den Staaten? Welche Projekte realisieren Sie?

BD: Unser erstes, eher zufälligerweise auch in den USA realisiertes Projekt, war der Audi Stand auf der Detroit Motor Show des Jahres 2001. Damals hatten wir das Design für die fünf größten Automessen in Frankfurt, Tokyo, Detroit, Paris und Genf zu verantworten.

Verschiedene Vortragsreisen in die USA haben dann dazu geführt, dass wir im Jahr 2010 von Google eingeladen wurden, uns für einen Neubau im Herzen des Campus in Mountain View/Kalifornien zu bewerben. Wir wurden  von Google beauftragt.
Nach einem sehr schnellen Anlaufen des Projektes kam es leider bereit Ende 2011 zu einem Stopp des Verfahrens, da die bis dato sehr geringe Ausnutzung des Grundstücks durch ein noch laufendes Bebauungsplanverfahren der Stadt deutlich erhöht werden soll. Dieses Verfahren ist nicht abgeschlossen. Bis heute sind wir suspendiert, aber weiterhin beauftragt.

NAX: Welche sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Schwierigkeiten für den US-amerikanischen
Markt?

BD: Im amerikanischen Markt hat man mit einer deutlich anderen Planungs- und Baukultur sowie damit einhergehend eingeschränkten technischen Möglichkeiten zu kämpfen. Grund hierfür ist aus unserer Sicht der sehr stark differenzierte Bausektor mit einem sehr starken und großen Anteil von leichten und einfachen Bauweisen – wie im amerikanischen Einfamilienhaus- und Gewerbebaubereich üblich – und einem sehr kleinen Anteil – und damit auch geringer Produktvielfalt bei hohen Kosten – von gehobenen Objekten in massiver Bauweise.

Die USA erstrecken sich über viele verschiedene Klimazonen und haben damit auch sehr unterschiedlichen Bauweisen und Ansprüchen an die Gebäudetechnik, so dass man nicht eine verbindliche Aussage machen kann.Grundsätzlich ist jedoch die Energie in den USA weiterhin vergleichsweise günstig, was es schwierig macht, aufwendigere und energetisch optimierte Konzepte durchzusetzen. Gleichzeitig ist der amerikanische (ähnlich wie auch der asiatische) Standard in der bauphysikalischen und gebäudetechnischen Gebäudekonzeptionierung aus unserer Sicht absolut unkomfortabel und ungesund; jedoch wird er subjektiv von den Amerikanern, die nichts anderes kennen, als richtig empfunden.

Im Bereich des Bauens hat die USA leider einen sehr geringen Qualitätsstandard, unter anderem auch aufgrund des im Handwerk fehlenden Ausbildungssystems wie wir es kennen. Gleichzeitig sind die Unions sehr stark, was den Bauherrn fast zwingend an lokale Firmen in der Ausführung bindet und den Wettbewerb einschränkt.

Aufgrund der üblicherweise sehr geringen Honorare in den USA wird auch nur eine entsprechend geringere Leistung im Sinne der Planungstiefe durch die Büros erbracht. Es findet eine starke Verlagerung der Planung zu ausführenden Firmen/Generalunternehmer statt, was diese wiederum sehr stark macht. Dieses ist aus unserer Sicht auch ein Grund für den Glauben an BIMBIM Building Information Modeling, da hier die Möglichkeit besteht, eine Planung, die durch viele Hände geht noch, einigermaßen zu koordinieren. Ein Problem, dass wir aus unserer Sicht im europäischen Markt so nicht kennen.

NAX: Die deutsche Planungs-und Bauwirtschaft ist im internationalen Vergleich kleinteilig strukturiert. Dies hat auch Vorteile, zum Beispiel Flexibilität oder Innovationsfähigkeit. Welche Vorteile sehen Sie und wie können diese Vorteile stärker in die USA kommuniziert werden?

BD: Ich sehe dieses nicht als einen Vorteil, weswegen ich die Frage so nicht beantworten kann. Tatsache ist, dass die USA eine sehr starker Markt sind, was Innovationen angeht. Dass dieses nicht im Bausektor stattfindet, liegt nicht an der Flexibilität und Innovationsfähigkeit der USA per se. Die USA sind extrem stark im Bereich der Forschung, Vernetzung von Universitäten mit dem Markt, akademischen Studien und White Papers auch im fortgeschrittenen Berufsleben. In fast jeder Bewerbung für ein dortiges Projekt wird nach entsprechender akademischer Arbeit und White Papers aus unserem Büro gefragt. Dieses ist etwas, was wir hier im Grunde genommen nicht kennen und auch nicht machen.
Unser Vorteil ist ein anderer: Wir Architekten sind als Ingenieure ausgebildet worden und haben somit ein sehr starkes, technische Verständnis. Dieses gepaart mit unserem Wissen, unserer Erfahrung, dem kritischen Hinterfragen und unserer gestalterischen Ausbildung macht uns im internationalen Wettbewerb für dortige Partner interessant.

NAX: Auf welche unternehmerischen Strukturen im Wettbewerb stoßen Sie?

BD: Grundsätzlich ist es empfehlenswert, einen örtlichen Partner mit ins Boot zu nehmen. Dieser fungiert oftmals als „registered architect“; dieses ist ein Architekt, der in dem jeweiligen Staat unterschriftsberechtigt ist. Die USA denken hier nicht national, was es darum im Grunde unmöglich macht, in einem Büro entsprechend aufgestellt zu sein, dass man bei Projekten in verschiedenen Staaten nur mit Partnern jeweils unterschriftberechtigt ist.

Der amerikanische Markt ist sehr eng verwoben. Dieses betrifft die Bauverantwortlichen seitens der Bauherren, die Repräsentation der Baufirmen und die Planungsbüros. Durch die Tatsachen, dass in den USA das Wechseln der Arbeitgeber weiterhin üblicher ist als bei uns und dass die Firmen sehr groß sind, kennt man sich gegenseitig. Die Vielzahl an Kongressen, die intensiv besucht werden, fördert ergänzend dieses Netzwerk. Auch der Umgang untereinander erstaunt uns Deutsche, die wir diesbezüglich doch sehr stark auf Unabhängigkeit – insbesondere gegenüber Baufirmen – und Zurückhaltung setzen.

Da in den Planungsbüros die Mitarbeiter in der Regel immer an der Firma beteiligt sind, ist das Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der Firma sehr stark. Man muss aufpassen, dass die Partnerbüros im Kontakt mit den Bauherrn langfristig nicht wesentlich stärker von der Zusammenarbeit profitieren als man selber. Ergänzend muss man sich sehr stark fürdie Durchsetzung der gewünschten Qualität bei den Firmen einsetzen, da alle örtlichen Beteiligten auch langfristigere Interessen und Ziele haben.

NAX: Welche wirtschaftlichen, urbanen Themen und Trends bewerten Sie für die USA als wichtig?

BD: Amerika wird es nicht auf Dauer schaffen, Energie derart günstig anbieten zu können. Nachhaltigkeit, auch im Sinne der Dauerhaftigkeit von Design, Konstruktion und Technik sowie im Sinne der gesunden Arbeits- und Wohnbedingungen werden zunehmend bedeutend. Hiermit wird unweigerlich ein Wandel eintreten, der starke Auswirkungen auf die Planungs- und auch Baukultur haben wird.

NAX: Wie reagiert Ihr Unternehmen auf diese Themen und Trends?

Deutschland und Europa haben diese Herausforderung bereits in den letzten Jahrzehnten meistern müssen. Wir versuchen in den USA unser diesbezügliches Wissen weiterzugeben. Natürlich wird uns dieses nur zeitlich begrenzt möglich sein, da die dortigen Experten sehr schnell aufholen. Unsere Kunden und Partner sind jedoch sehr daran interessiert, auch von unserer aus der langjährigen Erfahrung resultierenden Kreativität im Umgang mit den Planungsthemen  zu profitieren.

NAX: Welche Tipps haben Sie für Ihre Kollegen, die in den USA planen und bauen
möchten?

BD: Wer in den USA arbeiten will, muss in den USA präsent sein. Die Gründung eines dortigen Büros mit entsprechender Präsenz ist wesentlich. Die Amerikaner wollen mit Firmen Geschäfte machen, die im Land ansässig sind. Auch wenn man von der Westküste nach New York fast so lange braucht wie aus Europa nach New York, ist dieses im Bewusstsein der Amerikaner doch ein wesentlicher Unterschied.

NAX: Werden Sie sich auch in Zukunft in den USA engagieren?

BD: Selbstverständlich!

NAX: Vielen Dank für dieses Interview, Herr Dieckmann!

ingenhoven architects

Audi Pavillon Frankfurt, Tokyo, Detroit, Genf, Paris 1999–2001Photo: Andreas Keller


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