NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Lieber Herr Kretz, OBERMEYER realisiert als erfolgreich international tätiges Büro weltweit Projekte, u.a. in Marokko mit eigener Tochterfirma bei zwei Erschließungsprojekte im Bereich Siedlungswasserwirtschaft. Wie konnten Sie die Projekte akquirieren?
Kretz: Nach Marokko sind wir letztendlich über den Umweg Algerien gekommen. Als ölproduzierendes Land hatte man dort um 2006 viel Geld in die Hand genommen, um große Eisenbahninfrastrukturprojekte zu initialisieren. Insbesondere war dort deutsches Know-how in allen Bereichen der Infrastruktur gefragt. Durch unser Büro in Algier konnten wir dann den Brückenschlag nach Marokko realisieren und auch dort ein Büro eröffnen. In Marokko agieren wir z. B. konkret in einem KfWKfW Kreditanstalt für Wiederaufbau-Projekt.
NAX: Können Sie uns etwas über die Baurealität in Marokko berichten? Wie unterscheiden sich die Zusammenarbeit von Architekt, Bauherr / Behörde dort, wie die Planungs- und Prozessabläufe? Wie stellen Sie sich auf die interkulturellen Herausforderungen und die wirtschaftlichen sowie politischen Unterschiede ein? Was sind die größten Hürden?
Kretz: Andere Länder, andere Sitten. Natürlich geht der Planungs- und Abstimmungsprozess mit den Behörden sehr, sehr träge von statten. Wer einmal mit marokkanischen Behörden zusammen-gearbeitet hat, weiß, was wir an unseren deutschen Behörden haben! Ohne Stempel, ohne Unterschrift läuft dort gar nichts. Leider wechseln auch die Zuständigkeiten sehr oft, man muss den Bearbeitern „auf den Füßen stehen“. Die Planungsabläufe sind oftmals unkoordiniert und dauern schlichtweg zu lange. Die Zusammenarbeit innerhalb der Projektteams hat aber einen herzlichen Charakter. Schnittstellen innerhalb der Projektteams bilden bei uns lokale Mitarbeiter, die z. B. in Deutschland studiert haben und die unterschiedlichen kulturellen Gepflogenheiten kennen. Stichwort kulturelle Gepflogenheiten. Anders als in Asien oder auch im Nahen Osten treffen hier keine zwei Welten aufeinander. Die Maghreb-Staaten lehnen sich in der Entwicklung an europäische Standards an, Sprachbarrieren treten eher selten auf, da die französische Sprache hier wie dort – also in Europa und Marokko – geläufig ist.
NAX: Sehen Sie im nördlichen Afrika, u.a. in Marokko Potential und Chancen für weitere Projekte, die deutsche Planer umsetzen könnten? Welchen Herausforderungen muss man sich stellen, um dort planen und bauen zu können?
Kretz: Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Maghreb- Staaten sind derzeit – das muss man leider so feststellen – nicht optimal. Kurz- und mittelfristig erwarten wir hier auch keine Verbesserung, langfristig jedoch sehen wir Potential, da erhebliche Nachholbedarfe insbesondere in der Basisinfrastruktur, wie z. B. in der Wasserversorgung, bei Kläranlagen und Brückenbauwerken, bestehen. Unsere Erfahrungen im Tagesgeschäft im Maghreb zeigen, dass der Kunde hier auch eine persönliche Betreuung durch Fachteams vor Ort mit Unterstützung von Spezialisten aus Europa möchte. Wir sehnen uns dabei aber oft nach verbindlichen Festlegungen und Entscheidungen.
NAX: Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten!