Wien, du bist so wunderbar

Sozialer Wohnungsbau

Seestadt Aspern

Seestadt AspernMax via Fotolia

Städtebauförderung, Mietpreisbremse und jüngst das Baukindergeld – die deutsche Politik bemüht sich seit Jahren mit immer neuen Strategien der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt Herr zu werden. Bisher wenig erfolgreich: Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine 80m² große Wohnung im beliebten Berliner Bezirk Friedrichshain liegt laut Immowelt aktuell bei 14 Euro. In anderen deutschen Großstädten sieht es ähnlich aus. Ein schwerwiegender Grund für die gesamtdeutsche urbane Wohnungsnot liegt auf der Hand: Vor allem Städte wie Berlin und Dresden haben in den Neunziger Jahren auf dem Höhepunkt der kommunalen Finanzkrise Teile des städtischen Wohnbestandes zu Dumpingpreisen verkauft. Wohnungen, die sie nun durch Ausüben des kommunalen Vorkaufsrechts für viel Geld zurückkaufen wollen.


Sozialwohnungssegen im „Roten Wien“

Wohnungsnot und horrende Mieten sind keineswegs ein rein deutsches Problem. In Paris, London oder Budapest sieht der Wohnungsmarkt ähnlich aus. Doch dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Wien. Die österreichische Hauptstadt gilt europaweit als Vorzeigekind des sozialen Wohnungsbaus. 60 Prozent der 1,9 Millionen Wienerinnen und Wiener leben in Gemeindewohnungen oder geförderten Bauten von gemeinnützigen Trägern zu Mieten zwischen 4 und 7 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt 420.000 solcher von der Stadt errichteten und verwalteten bzw. subventionierten Wohnungen gibt es derzeit. Diesen Sozialwohnungssegen verdankt die Stadt einer Zeit, in der sie den Spitznamen „Rotes Wien“ bekam. Seit Ende des ersten Weltkrieges und nur unterbrochen von der Nazi-Zeit herrschen die Sozialdemokraten in der Stadt. Sie waren es, die bis 1934 ein in Europa einmaliges soziales Wohnungsbauprogramm umsetzen, in dessen Zuge 60.000 neue Gemeindewohnungen entstanden. Seitdem ist die soziale Verträglichkeit höchstes Kredo der Wiener Stadtentwicklungspolitik – von dem man selbst in Zeiten leerer Kommunalkassen in den Neunziger Jahren nicht abwich und, anders als in Dresden und Berlin, keine einzige Wohnung privatisierte.


Wien investiert in Europas größtes Entwicklungsprojekt

Seestadt Aspern

Seestadt AspernAndreas Faessler [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons

Doch nicht nur die Struktur der Bestandsbauten unterscheidet sich maßgeblich von deutschen Städten, Wien investiert auch deutlich größere Summen in den Neubau als beispielsweise Berlin. Rund 680 Millionen Euro lässt sich Wien sein soziales Stadtbaukonzept im Jahr kosten, 450 Millionen Euro erhält es dabei vom Finanzausgleich des Österreichischen Bundes. Zum Vergleich: Berlins jährliche Neubauförderung beträgt 64 Millionen Euro. Ein nicht unwesentlicher Teil der o.g. 680 Millionen Euro fließt in den kommenden Jahren in die Entwicklung ganzer sozial nachhaltig angelegter Stadtquartiere. Unweit des Wiener Hauptbahnhofes entstehen im Sonnwendviertel bis 2025 5.000 neue Wohnungen, errichtet von einer gemeinnützigen Bauträgergesellschaft.

Projekt wohn_zimmer im Sonnwendviertel von Studio Vlay, Karoline Streeruwitz, Riepl Kaufmann Bammer Architektur und Klaus Kada

Projekt wohn_zimmer im Sonnwendviertel von Studio Vlay, Karoline Streeruwitz, Riepl Kaufmann Bammer Architektur und Klaus KadaDaniel-tbs [CC BY-SA 4.0 (httpscreativecommons.orglicensesby-sa4)]

45 Fahrminuten weiter nordöstlich wird bereits seit 2009 die Seestadt Aspern hochgezogen: Nach dem Masterplan des schwedischen Architekten Johannes Tovett entstehen auf einem ehemaligen Flugfeld Wohnungen für 20.000 Menschen. Als Teil der neuen Wiener Wohnungsbau-Offensive sind nordöstlich des Asperner Sees 940 geförderte Wohneinheiten mit einem durchschnittlichen Quadratmeter-Mietpreis von 7,50 Euro geplant. Man experimentiert in Aspern außerdem mit einem „Pop-up“-Studentenwohnheim, bestehend aus 10 Boxen in Holzbauweise, die jederzeit ab- und andernorts wieder aufgebaut werden können.


Architekten müssen liefern

Ausgeschrieben wurden die Wohnbauten in einem der in Wien üblichen Bauträgerwettbewerbe. Hierfür können sich Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften gemeinsam mit einem Architekturbüro bewerben. Über die Vergabe entscheidet dann ein Qualitätsbeirat – bestehend aus unabhängigen Fachleuten – nach architektonischen, städtebaulichen, energetischen, ökonomischen und sozialen Kriterien. Jedes geförderte Bauprojekt der Stadt wird regelmäßig auf diese Weise überprüft – Entwürfe, die den Ansprüchen der Jury nicht genügen, müssen überarbeitet werden.

Das Beispiel Wiens beweist eindrucksvoll, was Dietmar Steiner, ehemaliger Leiter des Wiener Architekturzentrums, unlängst in der Zeitschrift Detail schrieb: Sozialer Wohnungsbau muss politisch gewollt sein. „Es gibt weltweit kein Beispiel, wo der Markt allein, nämlich die Wohnungswirtschaft, in der Lage wäre, bezahlbare Wohnungen für den Großteil der Bevölkerung anzubieten.“


Mehr Informationen zum Thema finden Sie hier:

„Wien, du hast es besser“: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2015/immobilien/wien-du-hast-es-besser

„Hauptstadt des bezahlbaren Wohnens“: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-03/wohnen-wien-preise-gentrifizierung-probleme

„Das Mieter-Paradies“: https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/wohnungsbau-in-wien-das-mieter-paradies/12989410.html

Stiener, Dietmar, (2018). Wohnbau in Wien. Das eigentliche Weltkulturerbe der Stadt. DETAIL, 4, S. 29.

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