Argentiniens Baukonjunktur hat innerhalb weniger Monate von Boom auf Flaute gedreht. Grund sind Finanz- und Währungsturbulenzen, hohe Zinsen sowie Sparzwänge im Staatshaushalt.
Inhaltsverzeichnis
1. Marktlage und -entwicklung im Hochbau
2. Wohnungsbau
3. Büro-/Gewerbe/Industriebau
4. Einzelhandel
5. Hotelbau
6. Industrie- und Anlagenbau
7. Bau öffentlicher Gebäude
8. Gemischte Wohn- und Gewerbeprojekte
9. Gebäudemodernisierung und -sanierung
10. Energieeffizienz im Geäudesektor
MARKTLAGE UND MARKTENTWICKLUNG IM HOCHBAU
Argentiniens Baukonjunktur hat schlagartig auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert. Stark erhöhte Zinsen und der Anstieg der Inflation haben das gerade erst einsetzende Wachstum von Baufinanzierungen vorerst wieder abgewürgt. Nach einem guten Start im ersten Vierteljahr ist die Tendenz der Bautätigkeit seit dem zweiten Quartal 2018 wieder rückläufig. Im Durchschnitt der ersten acht Monate 2018 lag der vom Statistikamt Indec erhobene Indikator für Bauaktivität (ISAC) noch um fast acht Prozent über dem vergleichbaren Vorjahreswert. Seit Juni stagniert die Aktivität gegenüber dem Vorjahr.
Für 2019 ist frühestens im späteren Jahresverlauf mit einer Belebung der Baukonjunktur zu rechnen. Die nach der Abwertung des argentinischen Pesos deutlich gesunkenen Baukosten auf US-Dollarbasis könnten privaten Bauherren, die über Fremdwährungsreserven verfügen oder Zugang zu Devisenfinanzierung haben, einen kräftigen Impuls geben.
Der private Construya-Index, der von elf führenden Bauzulieferern ermittelt wird und vornehmlich die Aktivität im Gebäudebau spiegelt, lag in den ersten neun Monaten 2018 noch leicht über dem Vorjahr (+0,4 Prozent), weist seit Jahresmitte jedoch von Monat zu Monat zunehmende Rückgänge im Vorjahresvergleich aus. Im September 2018 lag das Minus bereits bei 14 Prozent zum Vorjahr.
Kräftige Einbußen verzeichnen auch die Baugenehmigungen, die laut Statistikinstitut Indec in den ersten acht Monaten 2018 der Fläche nach um 9,5 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum zurückgingen. Im August lag die neu genehmigte Fläche gar um 15,5 Prozent unter dem Vorjahr. Auch auf dem Immobilienmarkt haben die abermaligen Währungs- und Finanzturbulenzen zu einer plötzlichen Flaute geführt, vornehmlich aufgrund des Einbruchs der Kreditvergabe. Mit einer Stabilisierung des Wechselkurses und mit dem erwarteten Rückgang der Inflation könnte das Immobiliengeschäft im Jahresverlauf 2019 wieder in Schwung kommen.
Im September 2018 verabschiedete das Parlament der Stadt Buenos Aires einen neuen Bau- und Städtebaukodex. Zu den wichtigsten Änderungen gehört eine Neuregelung der erlaubten Gebäudehöhen. Im bisherigen Baukodex waren 27 verschiedene Höhen möglich, künftig sollen es nur noch sechs sein. An den größten Verkehrsadern dürfen bis zu 38 Meter hohe Gebäude errichtet werden (also etwa 12 Stockwerke), in anderen Straßen liegt die Obergrenze je nach Viertel bei 16,5 bis 22 Meter. In kleinen, engen Straßen sind maximal 10 Meter erlaubt. Sonderregelungen gibt es für einzelne Gegenden wie etwa das Hochhausviertel Puerto Madero. Andere Vorgaben sollen dafür sorgen, dass die Höhen in den jeweiligen Straßen einheitlicher werden.
Neue Vorschriften für die Nachhaltigkeit regeln unter anderem eine effiziente Nutzung von Wasser und Energie sowie den Umgang mit Abfällen. Die obligatorische Hausmeisterwohnung wird abgeschafft, um die Gemeinkosten von Apartmenthäusern zu senken. Die strikte Trennung zwischen Wohn- und Gewerbezonen soll aufgehoben, der Bau von Projekten mit gemischter Nutzung gefördert werden. Insgesamt wird der neue Kodex eine dichtere Bebauung erlauben. Die geforderte Mindestfläche für eine Wohnung wird auf 21 Quadratmeter reduziert. Fachleuten zufolge könnte die bisher in der Stadt gebaute Gesamtfläche von 104 Millionen Quadratmeter fast verdoppelt werden. Eine neue Steuer auf den städtischen Mehrwert (Plusvalía Urbana) soll einen Teil der daraus entstehenden Gewinne abschöpfen. In jedem Fall bringt das neue Gesetz mehr Rechtssicherheit für Entwickler.
Der Wohnungsbau wird vorläufig unter den Finanzturbulenzen und dem Rückgang der Kaufkraft leiden. Um in der Stadt Buenos Aires einen Quadratmeter Wohnfläche zu erwerben, mussten Käufer im August 2018 im Durchschnitt fast vier Monatslöhne aufbringen, doppelt so viel wie vor drei Jahren, errechneten Ökonomen der Universität UADE. Auf dem Immobilienmarkt haben die Währungs- und Finanzturbulenzen im Jahresverlauf denn auch zu einer deutlichen Abkühlung geführt. Nachdem sich der Markt 2017 – und auch noch in den ersten Monaten 2018 – kräftig erholt hatte, ging das Geschäft ab dem 2. Quartal 2018 deutlich zurück. In der Hauptstadt Buenos Aires sanken die Immobilientransaktionen im August 2018 um 24,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In den ersten sieben Monaten 2018 war die Zahl der Immobilienverkäufe noch um 16 Prozent höher gewesen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Der mittlere Wert je Transaktion stieg im August 2018 in Pesos um 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr, auf US-Dollarbasis fiel der Wert jedoch um 7 Prozent. Der durchschnittliche Transaktionswert betrug rund 141.000 US-Dollar (US$) pro Abschluss. In der Provinz Buenos Aires lag die Zahl der Immobilientransaktionen in den ersten sieben Monaten 2018 um 16,4 Prozent unter dem Vorjahr. Der durchschnittliche Transaktionswert war mit 71.000 US$ halb so hoch wie in der Stadt Buenos Aires.
Hauptgrund für den Rückgang des Immobiliengeschäfts ist die geringere Vergabe neuer Hypothekenkredite. Aufgrund des starken Anstiegs der Inflation halten sich die Kreditkunden bei der Aufnahme von wertgesicherten Krediten zurück. Die gerade erst in Schwung gekommenen Kreditfinanzierungen sanken auf US-Dollarbasis im Juli 2018 landesweit um 33 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Finanzierung durch Hypothekenkredite mit Wertsicherung (Anpassung an den allgemeinen Anstieg der Verbraucherpreise), die gerade erst in Fahrt gekommen war, ist aufgrund der starken Beschleunigung der Inflation zu einer großen Belastung und zu einem hohen Risiko für die Kreditnehmer geworden. Ein neues Gesetz, das im Oktober 2018 im Parlament behandelt wurde, soll die Anpassung der laufenden Kreditraten auf eine maximal zulässige Differenz zwischen Inflationsrate und Lohnanstieg begrenzen. Darüberhinausgehende fällig werdende Anpassungsbeträge werden kapitalisiert und sollen erst später von der Bank kassiert werden, wenn die Löhne und Gehälter gegenüber der Inflation aufgeholt haben.
Eine geplante Reform des Mietrechts sieht eine Verlängerung der Mindestlaufzeit für Mietverträge von zwei auf drei Jahre vor. Die in den Verträgen übliche halbjährliche Anpassung der Mietpreise soll sich künftig nicht nur an der Inflationsrate sondern auch an einem Index der Gehaltsentwicklung orientieren. Während Mieterverbände die geplanten Änderungen begrüßen, warnt die Immobilienbranche vor einer Verknappung des Angebots und einem Anstieg der Mietpreise.
Das Finanzierungsmodell der Vorabfinanzierung von Neubauten durch die Immobilienkäufer („compra desde el pozo“) wird angesichts der hohen Inflation und der Abwertung des Peso wieder attraktiver. Bei diesem Modell zahlen die Käufer für den Erwerb der neu zu bauenden Immobilie regelmäßige Quoten im Zuge des Baufortschritts. Mögliche Kostensteigerungen bergen allerdings auch bei diesem Modell beträchtliche Risiken für die Immobilienkäufer.
Die Immobilienpreise blieben trotz der rückläufigen Nachfrage bislang fest. Gemäß einer Erhebung der Fachpublikation Reporte Inmobiliario lagen die Preise für gebrauchte Zwei- bis Dreizimmerwohnungen in der Hauptstadt Buenos Aires im August 2018 mit 2.370 US$ je Quadratmeter im Durchschnitt um 9 Prozent über dem Vorjahresniveau. Im Großraum Buenos Aires lagen die Preise mit 2.030 US$ leicht unter Vorjahr (-2,6 Prozent).
Die Baukosten haben sich gemäß Daten der Baukammer Camarco per August 2018 um 33,3 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat erhöht. Dabei stiegen die Materialkosten (plus 44,4 Prozent) wesentlich stärker als die Lohnkosten (plus19,5 Prozent). Aufgrund der starken Abwertung des Peso gegenüber dem US-Dollar sind die Baukosten auf US-Dollarbasis im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Dies ist ein von argentinischen Bauherren stark beachteter Indikator, da Immobilien zu Dollarpreisen gehandelt werden. Für Bauherren mit guter Eigenkapitaldecke ist das Bauen angesichts von Inflation und Abwertung sehr attraktiv geworden.
Laut dem Branchenportal Reporte Inmobiliario lagen die Gestehungskosten für den Bau eines Apartmentgebäudes im September 2018 in US$ sogar rund 38 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Die Baukosten betrugen 542 US$ je Quadratmeter (Vorjahr: 881 US$). Berücksichtigt man nur die verkäufliche Fläche, lagen die Baukosten pro Quadratmeter bei 732 US$ (Vorjahr: 1.190 US$)
BÜRO-/GEWERBE-/INDUSTRIEBAU (WIRTSCHAFTSBAU)
Im Gesamtjahr 2018 sollen nach Schätzungen der Immobilienfirma CBRE Group rund 120.000 Quadratmeter neue Büroflächen auf den Markt des Großraums Buenos Aires kommen. Das Maklerunternehmen JLL schätzt die gegenwärtig verfügbare Bürofläche im Großraum der Hauptstadt auf 1,5 Millionen Quadratmeter und erwartet eine Ausweitung der Flächen um 21 Prozent bis 2020. Besonders dynamisch entwickelt sich der Norden von Buenos Aires entlang der Verkehrsadern Libertador, General Paz und Panamericana. Die Peso-Abwertung und die entsprechende Senkung der Baukosten auf US-Dollarbasis bietet angesichts der recht stabilen Nachfrage nach neuem Büroraum Entwicklern mit Zugang zu Fremdwährungskapital günstige Perspektiven für neue Projekte.
Die CBRE Group erwartet vor allem Neubauten, die höchsten Anforderungen an Technologie und Qualität entsprechen. Nach Angaben des Maklers Cushman & Wakefield sind allein in der aufstrebenden Zone in der Nordzone des Großraums Buenos Aires (Nuñez, Vicente López, Olivos) 55.000 Quadratmeter Büroflächen im Bau und weitere 135.000 Quadratmeter projektiert. Die Büromieten, die in der Regel in US-Dollar vereinbart werden, sanken trotz der Peso-Abwertung bislang nur geringfügig und lagen im dritten Quartal 2018 in Buenos Aires im Durchschnitt bei 28 US$ je Quadratmeter für Topqualität und 24 US$ je Quadratmeter für die zweitbeste Kategorie.
Im ersten Halbjahr 2018 haben sich in Buenos Aires sowohl die angebotenen Einzelhandelsflächen wie auch die Leerstände gegenüber dem Vorjahr etwa verdoppelt, berichtet der Broker Colliers International. Angesichts der gegenwärtigen Konsumflaute ist in diesem Segment vorläufig keine Beschleunigung der Bautätigkeit zu erwarten.
Auf lange Sicht hat der Handel jedoch Nachholbedarf an Verkaufsflächen. Der Bestand an vermietbaren Einzelhandelsflächen ist in Argentinien deutlich niedriger als in vergleichbaren Ländern wie Chile, Kolumbien und Peru. Die Expansion des Einzelhandels konzentriert sich seit einiger Zeit auf das Hinterland und die weniger noblen Vororte von Buenos Aires.
Argentiniens Tourismusbranche erhält Auftrieb von der jüngsten Abwertung des Peso. Überdies wird die Liberalisierung des Luftverkehrs und die Zulassung von Billigfliegern den Tourismus innerhalb des Landes beflügeln. Das dürfte auch den Bau von Hotels und anderer touristischer Infrastruktur ankurbeln. Argentiniens Tourismusbranche kann in den kommenden Jahren Investitionen von rund 1,9 Milliarden US$ anlocken, erwartet der World Travel Tourism Council (WTTC), der 2018 seine Jahresweltkonferenz in Buenos Aires abhielt. Die Zahl der ausländischen Besucher werde bis 2020 von 6,7 auf 9 Millionen Gäste jährlich steigen, erwartet die Regierung, das Aufkommen an Inlandsreisen soll von 50 auf 70 Millionen Touristen pro Jahr steigen. Besonders gut entwickelt sich der Kongresstourismus, für den Buenos Aires in Lateinamerika der führende Veranstaltungsort ist.
Im Industrie- und Anlagenbau ist angesichts der Rezession und wenig ausgelasteter Kapazitäten nur mit einer verhaltenen Auftragsentwicklung zu rechnen. Eine Ausnahme könnte die Metallindustrie sein. Angesichts der besonders starken Expansion der Stahlproduktion ist in dieser Branche mit einer stabilen Investitionsneigung zu rechnen. Investitionen in der Chemieindustrie konzentrieren sich auf die Verbesserung der Produktionsprozesse. Auf längere Sicht könnte die Erschließung der Schiefergasreserven in Patagonien die Basis für einen Ausbau der Petrochemie schaffen.
Die Öl- und Gasindustrie ist derzeit der größte Investitionsmagnet Argentiniens. Das Land verfügt nach Schätzung der US-amerikanischen Behörde für Energiestatistik (EIA) über die zweitgrößten Schiefergasvorkommen weltweit nach China, aber noch vor den USA. In- und ausländische Ölkonzerne haben in den letzten drei Jahren Investitionsvorhaben im Gesamtwert von von 49 Milliarden US$ angekündigt. Davon sind bisher 14 Prozent realisiert, 36 Prozent befinden sich in der Durchführungsphase. Die Hälfte der geplanten Investitionen entfällt allein auf die staatlich kontrollierte Ölgesellschaft YPF. Der langfristige Investitionsbedarf zur vollen Erschließung der Hauptlagerstätte von Schiefergas und -öl, Vaca Muerta, liegt bei 170 Milliarden US$ (bis 2030). Angesichts der rasch steigenden Produktion in Vaca Muerta sind zudem hohe Investitionen in den Ausbau des landesweiten Gasleitungsnetzes erforderlich.
Der Bergbau gehört trotz der wieder eingeführten Exportsteuern zu den größten Profiteuren der Peso-Abwertung. Eine steigende Förderung von Gold und Lithium ist für den Anstieg der Bergbauexporte verantwortlich. Mehr als drei Dutzend Projekte sind allein für die aufstrebende Lithiumförderung gelistet. Andere Bergbauprojekte sind aus unterschiedlichen Gründen zum Teil erheblich verzögert. Auf lange Sicht geplant sind Investitionen von mehr als 30 Milliarden US$.
Die Gesundheitspolitik der Regierung setzt vornehmlich auf die Modernisierung und bessere Nutzung der bestehenden Infrastruktur, nicht zuletzt durch Digitalisierung. Argentiniens verzweigtes Gesundheitssystem, in dem 23 Provinzen und die Hauptstadt Buenos Aires jeweils autonom über ihre Gesundheitspolitik entscheiden, soll stärker integriert und damit effizienter werden. Neue Projekte für Krankenhausbauten melden die Provinzen Buenos Aires, Mendoza, San Luis und La Rioja.
GEMISCHTE WOHN- UND GEWERBEPROJEKTE
Der Bau kompletter neuer Städte oder Stadtviertel bleibt einer der Megatrends des argentinischen Bau- und Immobilienmarktes. Nach dem Erfolg des Pionierprojektes Nordelta verfolgt das Unternehmen Consultatio (Constantini) ein neues Megaprojekt für 2 Milliarden US$ zum Bau einer Satellitenstadt mit 30 Vierteln auf einem Gelände von 1.370 Hektar bei dem Ort Escobar, 44 Kilometer von Buenos Aires entfernt (http://www.puertosescobar.com). Wie Nordelta soll die neue Satellitenstadt mit eigenen Schulen, Sportanlagen, Geschäftszentren und eigener Gesundheitsversorgung ausgestattet werden. In Córdoba, der zweitgrößten Stadt Argentiniens, startete die Gruppe Corporación América 2017 den Bau des Viertels „Distrito las Artes“, in das im Verlauf von zehn Jahren Investitionen von rund 1 Milliarde US$ für den Bau von 450.000 Quadratmeter Apartments, Büro- und Handelsflächen, Hotel, Gesundheitszentrum und einer Kirche fließen sollen.
Ein neuer Schub für Großprojekte mit gemischter Nutzung kommt durch den geplanten Verkauf von interessanten Grundstücken aus staatlichem Besitz. In der Stadt Buenos Aires stehen mehrere veritable „Perlen“ auf der Verkaufsliste der Regierung. Auch der neue Bau- und Städtebaukodex der Stadt Buenos Aires fördert die Entwicklung gemischter Projekte. Ein Flaggschiffprojekt der Stadt Buenos Aires ist der geplante Technologiepark Parque de la Inovación, der direkt gegenüber dem Stadion Monumental des Fußballclubs River Plate entstehen soll. Die Investitionsförderagentur AAICI rechnet mit Investitionen von bis zu 2 Milliarden US$ in die Erschließung und die gemischte Bebauung des 130.000 Quadratmeter großen Geländes mit Wohnungen, Büros, öffentlichen Gebäuden und Einzelhandelsflächen. Das Gelände soll komplett neu erschlossen werden und darf die bestehende Infrastruktur der Stadt nicht belasten.
GEBÄUDEMODERNISIERUNG UND -SANIERUNG
In Buenos Aires existiert ein großer Bestand alter Gebäude, von denen viele zu Wohn- und Gewerbezwecken saniert und ausgebaut werden. Besonders gut zu beobachten ist dies in den aufstrebenden Vierteln des Stadtteils Palermo (Palermo Hollywood und Soho). In den von der europäischen Einwanderung geprägten Städten Argentiniens finden sich die unterschiedlichsten Baustile nebeneinander. Auch der Staat investiert in die Sanierung von historischen Gebäuden und Denkmälern. Im Rahmen der Privatisierung des Zoologischen Gartens von Buenos Aires, der zu einem „Ökopark“ ohne permanenten Tierbestand umfunktioniert werden soll, sollen 15 denkmalgeschützte Bauten renoviert und in Konzession vergeben werden. Der Staat vergibt im Rahmen des Programms Mejor Hogar subventionierte Kredite für die Modernisierung und Renovierung von Wohnungen an Personen mit geringem oder mittlerem Einkommen.
ENERGIEEFFIZIENZ IM GEBÄUDESEKTOR
Der Energieeffizienz wurde in Argentinien lange Zeit wenig Bedeutung beigemessen, da die Strom- und Gaspreise über 15 Jahre weitgehend eingefroren waren und auf ein extrem niedriges Niveau heruntersubventioniert wurden. Unter der Macri-Regierung ändert sich das seit 2016 sukzessive. Um die hohen Defizite im Staatshaushalt und im Außenhandel mit Energieträgern einzudämmen und Anreize für einen wirtschaftlichen Umgang mit den knappen Energieressourcen zu schaffen, hat die Regierung begonnen, die Tarife für Strom und Gas an die tatsächlichen Kosten anzupassen.
Ab 2016 wurden die Strom- und Gaspreise mehrfach um drastische Prozentsätze angehoben. Dennoch liegen die Preise im internationalen Vergleich immer noch auf einem niedrigen Niveau. Für einen privaten Haushalt mit relativ hohem Verbrauch (700 Kilowattstunden monatlich) betrug der Strompreis im Großraum Buenos Aires im September 2018 durchschnittlich 2,4 Argentinische Pesos (arg$; 1 US$ = 36,51 arg$ am 31. Oktober 2018) je Kilowattstunde (einschließlich Grundpreis und Steuern). Umgerechnet waren das rund 5 Euro-Cent je Kilowattstunde (Tarifübersicht unter http://www.edenor.com.ar/cms/files/SP/CuadroTarifario.pdf ). Der Preis für Haushaltsgas lag bei 25 Euro-Cent je Kubikmeter (einschließlich Grundpreis und Steuern). Im Landesinneren sind die Preise für Strom und Gas zum Teil deutlich höher.
Mehrere Anläufe der Regierung, die Preise für Strom und Gas vor allem im Großraum Buenos Aires weiter zu erhöhen, stießen 2018 auf den Widerstand der Oppositionsmehrheit im Parlament. Während Präsident Macri im Mai 2018 noch ein Veto gegen einen von der Oppositionsmehrheit im Parlament verabschiedeten Preisstopp einlegte, machte die Regierung im Oktober 2018 einen Rückzug bei einer geplanten Erhöhung der Gaspreise. Weitere Preiserhöhungen dürften im Wahljahr 2019 schwer durchzusetzen sein. Die allgemein hohe Inflation würde den relativen Preis von Strom und Gas wieder verringern, wenn sich weitere Tariferhöhungen verzögern.
Nach der bereits erfolgten Anpassung der Energiepreise an ein etwas realistischeres Niveau dürfte die Nachfrage nach Energiespartechnik dennoch allmählich steigen. Eine Studie des Energieministeriums sieht das größte Einsparpotenzial bis zum Jahr 2030 im Bereich der privaten Haushalte (46 Prozent). Es folgen die Sektoren Transport (23 Prozent) und Industrie (19 Prozent). Der Rest entfällt auf den öffentlichen Sektor (5 Prozent) und auf Sektoren übergreifende Einsparpotenziale (7 Prozent).
Beim Bau neuer Bürogebäude, die ganz überwiegend nach der Norm LEED zertifiziert werden, sind hohe Anforderungen an die Energieeffizienz bereits Standard. Bauunternehmen, Entwickler und Architekten, die nach der LEED-Norm arbeiten, sind in der Vereinigung Argentina Green Building Council (AGBC) organisiert, die auch die LEED-Normen in Argentinien zertifiziert (http://www.argentinagbc.org.ar . Die Provinz Santa Fé hat als erste Provinz Argentiniens ein Gesetz in Vorbereitung, das die Zertifizierung von Energieeffizienz-Indikatoren für Gebäude vorschreiben soll.
Ende 2017 verabschiedete das argentinische Parlament das lange erwartete Stromeinspeisegesetz (Ley 27.424 de Generación Distribuida). Mit dem Erlass der Durchführungsbestimmungen für das Ökostromgesetz und der Festlegung der Einspeisetarife wird nun kurzfristig gerechnet. Im Staatshaushalt 2019 sind Auszahlungen von 488 Millionen arg$ (rund 15 Millionen Euro) über einen in dem Gesetz vorgesehenen neuen Treuhandfonds (Fondo Fiduciario para la Generación Distribuida de Energías Renovables, FODIS) eingeplant, aus dem Kredite, Garantien und andere Anreize für Projekte zur dezentralen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und deren Einspeisung gezahlt werden sollen.
In- und ausländische Anbieter positionieren sich auf dem argentinischen Markt in Erwartung der Auswirkungen des neuen Einspeisegesetzes und weiter steigender Energiepreise. Die dezentrale Energieerzeugung und die Nutzung von intelligenten Netzen (smart grids) steht in Argentinien allerdings noch ganz am Anfang. Angesichts der hohen Anfangskosten bedarf es noch großer Überzeugungsarbeit bei potenziellen Kunden, berichten Experten. Siemens empfiehlt seinen argentinischen Kunden die Umsetzung von Pilotprojekten, um die Technologie zu testen. Die Kosten seien für die meisten Kunden noch zu hoch und überdies schwer zu finanzieren, erkennt ein Siemens-Manager an.
von Carl Moses, Germany Trade und Invest
Lesen Sie hier die die gesamte Analyse der argentinischen Baubranche von der GTAI.
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