Die „German Angst“ vor dem Wegfall der HOAI

Ein Interview mit dem Experten Prof. Hans Lechner, Tu Graz:

In Sachen HOAIHOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure-Vertragsverletzungsverfahren tut sich was: Nach einer zähen, zweijährigen Gerichtsverhandlung hat der Europäische Gerichtshof nun ein Urteil für den 4.7.2019 angekündigt. In der Klage, die seit 2017 verhandelt wird, moniert die Europäische Kommission, die deutsche Honorarordnung für Architekten und Ingenieure behindere die EUEU Europäische Union-weite Niederlassungsfreiheit durch ihre verbindlichen Mindestsätze. Gäbe es die Mindestsätze nicht, so die EU-Argumentation, würden sich mehr aus- und inländische Büros in Deutschland niederlassen – dies komme der Wirtschaft und dem Wettbewerb zugute. Die Bundesregierung hatte mit Unterstützung der Bundesarchitektenkammer (BAKBAK Bundesarchitektenkammer) hingegen argumentiert, dass eine verbindlichen Honorarordnung insbesondere die Qualität und damit den Verbraucherschutz sicherstelle. Ein Preiswettbewerb bei Planungsleistungen verfehle das Ziel einer guten Planung, denn billigere Planung bedeute in aller Regel weniger und schlechtere Planungsqualität, so die Haltung der BAK.


Prof. Hans Lechner, Institutsvorstand für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz

Prof. Hans Lechner, Institutsvorstand für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Grazhttps://www.planungswirtschaft.eu/

Prof. Hans Lechner ist Institutsvorstand für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der TU Graz und Autor der deutschen HOAI 2013 sowie der österreichischen Leistungs- und Vergütungsmodelle von 2014 (LM14). Beim deutsch-österreichischen Erfahrungsaustausch des NAX Anfang Mai in Wien berichtete er vom Verfall der Honorarniveaus in Österreich, nachdem 2006 dort die Honorarordnung für Architekten (mit Kartellrechtsargument) abgeschafft wurde. NAX hat ihn noch einmal nach seiner Meinung gefragt.

NAX: Prof. Lechner, Sie bezeichnen die Entwicklung von Honoraren nach dem Wegfall der österreichischen HOA als Erdrutsch, den u.a. auch die Architekten und Planer durch Preis-Dumping selbst forcieren. Ist die „German Angst“ also berechtigt?

Prof. Lechner: Ja durchaus, das Honorarniveau wird nicht sofort implodieren, aber es ist absehbar, dass zunächst die Ingenieurleistungen in einer Negativ-Spirale nach unten gehen (Reihenfolge TGA > TWPL > OÜ). Die Gestaltungsleistungen werden noch einige Zeit auf aktuellem Niveau bleiben, aber mit einiger Verzögerung dennoch auch über Rabatte und Ausweitung der Grundleistungen erodieren.


NAX:  Die BAK befürchtet, dass es ohne die Verbindlichkeit der Mindestsätze in der HOAI nicht nur zu einem Honorar-Dumping kommt, sondern vor allen die Planungs- und Bauqualität leiden wird. Beobachten Sie das auch in Österreich?

Prof. Lechner: Mit einem gewissen Verzögerungseffekt: Ja, weil die notwendigen Ressourcen für Qualitätssicherung als „unsichtbare“ Leistung als erste über Bord gehen. Dafür wird das Gutachterwesen in Richtung Claims weiter zunehmen, weil nicht mehr in voller Tiefe geplant und ausgeschrieben wird.


NAX: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zugunsten der Klage der Europäischen Kommission gilt als wahrscheinlich. Die HOAI würde damit zwar nicht komplett abgeschafft werden müssen, die verbindlichen Mindestsätze jedoch schon. Was würden Sie der deutschen Architektenschaft in diesem Fall empfehlen? Wie können wir einen Honorarverfall wie in Österreich vermeiden?

Prof. Lechner: Bis jetzt wurde nur der Ausschuss, der die Wettbewerbe im Sinne der Kammer prüft und unpassende mit einem Stop-Signal in einer Liste auszeichnet, wirksam. Aber sonst würde nur eine echte Marktverengung zum Halten des Preisniveaus wirksam werden.

Vielen herzlichen Dank, Prof. Lechner, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um unsere Fragen zu beantworten!

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