Eine Fortbildungsveranstaltung der anderen Art fand am 21.11.2019 im Baukunstarchiv NRW in Dortmund statt. Das Netzwerk Architekturexport NAXNAX Netzwerk Architekturexport lud in Kooperation mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen zu der Veranstaltung „Psychologie + Zeichen: Architektur neu wahrnehmen“. Den TeilnehmerInnen bot sich die Gelegenheit, von Architekten und Psychologen mehr darüber zu erfahren, wie beispielsweise gebaute Umwelt auf die menschliche Psyche wirkt und wie kulturelle oder klimatische Unterschiede die Wahrnehmung und Planung von Architektur beeinflussen. Statt Frontalunterricht diskutierten die Anwesenden nach zwei einführenden Vorträgen in vier verschiedenen Think Labs die unterschiedlichen Auswirkungen und Bedeutungen von Licht, Farbe und (guten)Türen. Zum Abschluss lernten sie bei einem Vortrag und einer Führung durch Dortmund, Zeichen in der Stadt neu zu deuten.
Zu Beginn der Veranstaltung führte Markus Lehrmann, Hauptgeschäftsführer der Architektenkammer NRW, durch das Baukunstarchiv NRW und berichtete u.a. über die geschichtlichen Hintergründe sowie die Revitalisierungsmaßnahmen des Gebäudes unter Erhaltung wichtiger baukultureller Zeugnisse. Die Teilnehmer hatten anschließend kurz die Möglichkeit einen Blick auf die aktuelle Ausstellung über das Werk von Josef Paul Kleihues zu werfen.
Claudia Sanders, Koordinatorin des Netzwerk Architekturexport NAX, stellte dann die Initiative und ihre Aktivitäten vor, die dazu dienen, für die Leistungen deutscher Architekten, Ingenieure und Fachplaner im In- und Ausland zu werben.
Den inhaltlichen Auftakt zum Thema Psychologie + Zeichen bildete Werner Frosch, Geschäftsführer der Münchener Niederlassung des renommierten dänischen Büros Henning Larsen, mit seinem Vortrag „Wie nah darf es sein? Tageslicht und Privatsphäre – kulturelle Unterschiede im internationalen Vergleich“. Anhand diverser Projektbeispiele, u.a. dem Ministry of Foreign Affairs in Rhiad / Saudi Arabien oder dem Konzerthaus und Kongresszentrum in Reykjavik / Island erläuterte er, wie die u.a. kulturellen, (mikro)klimatischen, gesellschaftlichen und weitere Unterschiede in der Planung von Henning Larsen berücksichtigt würden.
Damit würden z.B. Aspekte wie Offenheit (vs. Geschlossenheit), Intimität und Nähe (vs. Einsamkeit) herausgearbeitet werden und sich dies in der jeweiligen Architektur wiederspiegeln. Menschen sollen sich in gebauter Umwelt wohlfühlen, gesund bleiben und es sollen offene Begegnungsflächen entstehen, die die moderne Urbanität von heute spiegeln. Ein Aspekt den auch das dänische Pharmaunternehmen Novo Nordisk in seine Planung für den Neubau ihrer Zentrale durch Henning Larsen große Bedeutung schenkte. Sehr bescheiden in der Außenwirkung war dem Unternehmen die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter ein großes Anliegen. So entstand eine Unternehmenszentrale mit vielen Wegen im Gebäude, und Spazier- und Erholungsmöglichkeiten um das Gebäude herum.
Für das wissensbasierte Fundament der Veranstaltung sorgte Dr. Antje Flade, promovierte Diplom-Psychologin und langjährig tätig in Bereichen der Umweltpsychologie und empirischen Sozialforschung. In ihrem Vortrag „Architektur-psychologie – wie wirkt gebaute Umwelt auf den Menschen?“ ging Frau Dr. Flade vor allem auf die Grundlagen der Architekturpsychologie ein, z.B.: Wie ist die Wirkung von Gebäuden, von Innen- und Außenräumen auf den Menschen in kognitiver, emotionaler und sozialer Hinsicht.
Auf die Frage, wie gebaute Umwelten aussehen sollten auf die Menschen positiv reagieren, antwortete Frau Dr. Flade mit dem Satz: „People will like scenes that are understandable and make sense“. So sollten sich Menschen z.B. gut und intuitiv in großen Verwaltungsgebäuden orientieren können. Gebaute Umwelten würden „geschätzt“ wenn sie kohärent sind, sie nicht zu schlicht, aber auch nicht zu überladen gestaltet wirken, sie übersichtlich und gut lesbar ,und nicht verwirrend und unübersichtlich sind. Architektur sollte daher auch immer die Menschen mit in die Planung einbeziehen, so dass beispielsweise nicht Wohnungen entstehen, die den Menschen mit Technik „überschwemmen“ und die Gelegenheiten einer individuellen Umweltaneignung einschränken. Die Forschungsergebnisse der Psychologie zum Erleben gebauter Umwelten und zum Verhalten des Menschen in ihnen sollten verstärkt genutzt werden, um die Wohn- und Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. So wird aus einem Haus ein Zuhause, das heutigen und zukünftigen Anforderungen entspricht.
In den anschließenden Think Labs hatten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit sich an jeweils vier verschiedenen Thementischen im 25-minütigen Wechsel zu architekturpsycho-logischen Aspekten von Bauprodukten auszutauschen. Am ersten Tisch widmete sich NAX-Partner AGC Interpane unter dem Titel „Licht, Luft und Sonne 4.0?“ der Thematik intelligenter Sonnenschutz- und Isolierglasglas zur Steigerung des optimalen Raumklimas sowie natürlichem Tagesslicht als Wohlfühlfaktor in innovativer Architektur. NAX-Partner GEZE stellte sich am zweiten Tisch der Frage „Wann ist eine Tür eine gute Tür?“ und behandelte u.a. den Einfluss von Sicherheitsaspekten und Funktionalität auf die Psyche. Wann ist beispielsweise eine Tür funktional, lässt sie sich gut öffnen, ist sie intuitiv bedienbar?
Am Thementisch „Smart Lightening“ von NAX-Partner JUNG wurden die Möglichkeiten biologischer und automatisierter Lichtplanung und das Thema „Smart Living“ durchaus kontrovers diskutiert. Die Meinungen darüber, wie viel Technik der Nutzer braucht um sich (bewusst oder unbewusst) in einem Raum wohl zu fühlen, gingen stark auseinander. Einfachheit / Verständlichkeit vs. Komplexität – das kann nicht einstimmig beantwortet werden. Am Thementisch „Colour up your life! / Farbe fürs Leben!“ unter Leitung von NAX-Partner LANXESS wurde diskutiert, wie Farbe als Gestaltungsmittel und wie diese die menschliche Wahrnehmung auf die gebaute Umwelt und den Straßenverkehr beeinflusst. Zu den Themen wurden Mind Maps angelegt, in denen proaktiv die Fragen „Wo klemmt es?“ (bei der Gestaltung/Planung im Arbeitsalltag der Planer), „Welche Zukunftstrends gibt es?“ und „Welche Bedürfnisse an das jeweilige Produkt haben die Planer?“ diskutiert und herausgearbeitet wurden.
Einen thematisch runden Abschluss der Veranstaltung bildete der Vortrag „Die Code-Methode“ des Zeichenforschers Prof. Dr. Gerdum Enders. Die Zeichentheorie Semiotik setzt bei der Frage an: „Wie können wir Architektur neu und vernetzter wahrnehmen?“ Letztlich sind Städte und Baukörper Zeichensysteme, die wir kulturell, sozial und psychologisch decodieren können. Prof. Enders zeigte den Teilnehmern die unterschiedlichsten Möglichkeiten zur Decodierung der Bedeutung von Zeichen erst theoretisch auf. Anschließend ging es bei einem Spaziergang durch Dortmund an die praktische Umsetzung von Decodierung: auf dem Weg, u.a. vorbei am Dortmunder Konzerthaus, der Stadt- und Landesbibliothek bis hin zum Dortmunder Fußballmuseum deutete die Teilnehmergruppe gemeinsam Zeichen und Codes in der Architektur.
Die Fortbildungsveranstaltung klang anschließend im Dortmunder U mit einem kleinen After-Work-Empfang aus.