NAXNAX Netzwerk Architekturexport sprach mit Tobias Keyl, Dipl.-Ing. Architekt und Director im Berliner Büro von NAX-Pate gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner über die Erfahrungen des Büros auf dem afrikanischen Markt. Er berichtet u.a. von dem Projekt AVIC African Headquarters in Nairobi, aber auch von Gated Communities und Kooperationen mit China.
NAX: Lieber Herr Keyl, Sie haben in Nairobi das Projekt AVIC African Headquarters durchgeführt, bitte berichten Sie uns doch kurz über das Projekt.
Tobias Keyl: Nach einer erfolgreichen Zusammenarbeit an einem Büropark in Peking, dem Hauptsitz des chinesischen Luftfahrt-Konzerns AVIC, wurden wir gefragt, auch das Hauptquartier des Unternehmens für Afrika in Nairobi zu entwerfen. Neben dem 191 Meter hohen Hochhaus mit 60.000 m² Büroflächen für AVIC und weitere internationale Firmen entsteht ein Fünf-Sterne-Hotel, das 365 Zimmer und Appartements, drei Restaurants sowie Konferenz- und Spa-Bereiche beherbergt. Dazu kommen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße vier rund 100 Meter hohe Wohntürme mit kommerziellen Flächen und PKW-Stellplätzen in einem gemeinsamen Sockel. Beide Grundstücke werden oberirdisch über Fußgängerbrücken und unterirdisch über einen Tunnel verbunden. Das Projekt ist derzeit noch im Bau und wird voraussichtlich 2020 eröffnet.
NAX: Welche Rolle spielten bei Ihrem Projekt die Aspekte Sicherheit und Gated Community?
Tobias Keyl: Eine Anbindung von Gebäuden an den öffentlichen Raum, durch Straßencafés und Schaufenster, wie wir es aus Europa kennen, gibt es in Kenia nicht, oder eben nur hinter Sicherheitsabsperrungen und entsprechenden Check-Points. So wird zum Beispiel eine stark bewachte, hohe Mauer als ein Zeichen von Sicherheit gedeutet, dies gilt vor allem für Orte mit internationalem Publikum. Unser Projekt hingegen präsentiert sich nach außen nicht mit einer solchen Mauer. Natürlich gibt es Sicherheitschecks und alle entsprechenden Vorkehrungen, nur sind diese über breite Hecken, die Topografie und möglichst transparente Barrieren hergestellt, die sich zum umgebenden Stadtraum hin öffnen.
Durch die Verbindung der verschiedenen Funktionen und Gebäude versuchen wir eine kleine Stadt in der Stadt zu generieren, in der Besucher und Anlieger zwischen Wohnung, Cafés, Restaurants und Büros flanieren können. Die Dachfläche des Parkhauses ist als grüne Mitte angelegt. Solch große zusammenhängende Freiräume sind in Nairobi selten. Unsere Idee, das Ensemble nach außen sehr offen erscheinen zu lassen, wurde von unseren chinesischen Bauherren von Beginn an unterstützt. Ihnen war es wichtig, das Areal als Visitenkarte des Unternehmens mit der Stadt zu vernetzen und nicht abzuschotten.
NAX: Wie erleben Sie allgemein das Arbeiten und den Planungsprozess in Afrika? Wie unterscheidet er sich vom Planen und Bauen in Deutschland? Gibt es Besonderheiten bei der Zusammenarbeit mit afrikanischen Partnern?
Tobias Keyl: Es gibt natürlich große Unterschiede. Zunächst aber war die Projektplanung aufgrund des internationalen Hintergrundes viel mehr von globalen als afrikanischen Gegebenheiten geprägt: Die verschiedenen Kontaktpersonen des chinesischen Bauherrn sind in Peking und Shenzhen ansässig. Die Haustechnik- und Tragwerksplanung wurde von chinesischen Ingenieuren beigesteuert, die wie wir auch jeweils einen lokalen Partner in Nairobi hatten. Darüber hinaus gab es einen Verkehrsplaner aus Kapstadt, das Sicherheitskonzept wurde in England erstellt und der Hotelbetreiber Marriot operiert aus Dubai und Kapstadt. Die Innenarchitekten des Hotels stammten aus New York und ich selbst bin zwischen unseren Büros in Peking und Berlin gependelt, in denen das Projekt bearbeitet wurde.
Schon aus diesem Umstand heraus wurden die Planung und die Besprechungen überwiegend digital organisiert. Persönliche Treffen gab es nur in konzentrierten Workshops, entweder in China, Dubai oder vor Ort in Nairobi. Meine Aufgabe war es dabei oft, zwischen den verschiedenen Kulturen im Projekt zu „übersetzen“.
Der fachliche Beitrag der afrikanischen Teammitglieder war essenziell, insbesondere in Bezug auf die lokalen Bestimmungen und Anforderungen der Behörden aber auch die dortige Lebensweise. Das Bauen in Kenia ist noch sehr nach dem britischen System ausgelegt, wobei es bei unserer Projektgröße keine gebauten Anwendungsreferenzen gibt. Vieles haben wir über andere internationale Normen gelöst, so wurde z.B. die Brandschutzplanung für das Hotel nach US-Codes bearbeitet.
NAX: Wie gestaltete sich in Ihrem Projekt die Zusammenarbeit mit China?
Tobias Keyl: gmp ist seit mehr als 20 Jahren in China aktiv, dort haben wir Büros in Peking, Shanghai und Shenzhen mit insgesamt über 120 Mitarbeitern. Ich selbst habe sieben Jahre an unserem Pekinger Standort gearbeitet. Die Kenntnis der Kultur und die vielen dort von gmp realisierten Projekte haben zu einem gewissen Grundvertrauen geführt und einer daraus erwachsenden partnerschaftlichen Arbeit an dem Projekt in Nairobi.
Vielen herzlichen Dank, Herr Keyl, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten!
Interview geführt im März 2020
Webseite gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner