Christoph Woop lebt und arbeitet derzeit in Teheran, ist aber ein echter Russland-Experte: Elf Jahre lang hat er in Russland gelebt und war die letzten fünf davon als Büroleiter in Moskau für NAXNAX Netzwerk Architekturexport-Pate Hadi Teherani Architects tätig. In dieser Zeit hat das Büro zahlreiche Projekte, vor allem im Bereich Residential, realisiert, unter anderem auf der Bolotny-Insel in unmittelbarer Nähe zum Kreml und – als erstes internationales Büro überhaupt in Skolkovo – dem russischen Silicon Valley. NAX hat ihn gebeten, sich an seine Zeit als Expat in Russland zurückzuerinnern.
NAX: Lieber Christoph, Russland ist ein riesiges Land – fast 50 mal so groß wie Deutschland und fast doppelt so groß wie die USA. Kann man da überhaupt von dem russischen Markt sprechen? In welchen Regionen lohnt sich ein Engagement für internationale Büros? Und wie kommt man an lukrative und interessante Aufträge?
Woop: Der Markt in Russland hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert, das Niveau der gebauten Architektur ist vergleichbar mit dem europäischen Markt, in Teilbereichen sogar höher. Die Bautätigkeiten, in die internationale Büros involviert sind, beschränken sich meist auf die Hauptstadt Moskau sowie auf die regionalen Zentren wie St. Petersburg, Nishni Novgorod, Kasan, Rostov, Ekaterinburg aber auch Sotchi und Vladivostok.
Hadi Teherani Architects wurde 2005 auf dem russischen Markt aktiv, zuerst noch aus dem Hamburger Büro, dann 2007 aber auch erfolgreich vor Ort mit einem eigenen Büro in Moskau innerhalb des Garten Rings im Zentrum der Hauptstadt. Als Joint Venture Partner vor Ort agierte die Fa. INTECO, zu Beginn in Besitz der Moskauer Bürgermeister-Gattin Elena Baturina. Projekte wurden meist als Direktaufträge an unser Büro ohne vorgeschalteten Wettbewerb beauftragt. Dabei handelte es sich anfangs um Studien für diverse Projekte wie Büro- und Wohngebäude, Schulen, Kindergärten, aber auch sozialer Wohnungsbau. Realisiert haben wir zwei Luxus-Wohngebäude mit je 30.000m² im Moskauer Zentrum, in unmittelbarer Nähe des Kremls und zwei Wohn-Maschinen mit insgesamt 140.000m² auf dem ehemaligen Flughafengelände des Chodynkafelds mit 2150 Wohneinheiten und Geschäften. Ein weiteres Highlight war sicherlich der Gewinn des Internationalen Wettbewerbs unter der Schirmherrschaft des damaligen russischen Präsidenten Medvedev für ein Wohnquartier in Skolkovo, dem russischen Silicon Valley. Hadi Teherani Architects konnte hier als erstes internationales Büro ein mehrfach ausgezeichnetes Wohnquartier nach internationalen Standards und unter dem Aspekt der geforderten Nachhaltigkeit realisieren. Das Projekt war Teil der Ausstellung des russischen Pavillons auf der Biennale in Venedig 2012.
NAX: Welches Profil sollte man als Büro haben, wenn man in Russland erfolgreich sein will? In welchen Bereichen kann man vielleicht eine Marktlücke füllen?
Woop: Der Einstieg in den russischen Markt ist nicht einfach und vielfach von Missverständnissen geprägt. Bauherren in Russland sind deutschen Architekten und Ingenieuren gegenüber grundsätzlich positiv und offen. Man schätzt die Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und natürlich auch die deutsche Technologie.
Die Planung selbst unterscheidet sich aber in großen Teilen, sowohl in der technischen als auch der rechtlichen Sichtweise und deren Grundlagen. Es ist empfehlenswert, sofern man nicht selbst vor Ort vertreten ist, sich einen lokalen Partner zu suchen. Der Bauantrag und dessen Grundlagen unterscheiden sich erheblich von unseren Standards, auch Normen und Vorschriften sind oftmals völlig neu für deutsche Planer. Leistungsphasen unterscheiden sich ebenfalls. Aus Deutschland kann man vor allem Leistungsphasen analog zu 1-3 anbieten, für 4 empfiehlt sich ein lokaler Partner.
Hadi Teherani Architects hat vor Ort Leistungsphasen 1-9 angeboten und auch geplant bzw. ausgeführt, natürlich aber auch mit lokalen Partnern und erfahrenen lokalen Mitarbeitern. Ausführungsplanung so wie wir sie aus Deutschland kennen, wird in Russland oftmals nicht von Architekten geleistet, hier besteht nach wie vor eine Marktlücke, allerdings muss man zusätzlich berücksichtigen, dass Honorare vor Ort deutlich niedriger ausfallen als in Deutschland.
NAX: Moskau, Sankt Petersburg, Jekaterinburg: Das ist kein Katzensprung von Deutschland aus – was die räumliche Distanz angeht, aber auch die kulturelle. Wie unterscheidet sich das Arbeiten mit russischen Kollegen und Partnern vom Planen und Bauen in Deutschland?
Woop: Neben technischen und rechtlichen Unterschieden ist es grundsätzlich in jedem Planungsbüro wichtig, Wissen, Kultur und Stärken zu bündeln. Respekt und die Berücksichtigung verschiedener Sichtweisen sind die entscheidende Basis für eine Zusammenarbeit mit einem Kollegen, Partner oder Auftraggeber in einem anderen Land. Hadi Teherani Architects konnte dazu seit Jahren Erfahrungen in unseren internationalen Büros in Abu Dhabi, Teheran oder Bangalore aber auch in Hamburg mit Mitarbeitern aus 15 verschiedenen Ländern sammeln. Wichtig ist auch eine intensive Kontaktpflege zu potentiellen Klienten und Planungspartnern. Wir arbeiten auch heute noch in Russland an diversen Projekten in unterschiedlichen Konfigurationen.
NAX: Welches der Projekte in deiner Zeit als Büroleiter in Moskau ist dir besonders in Erinnerung geblieben – und warum?
Woop: Als Start war die Gestaltung und der Innenausbau unseres eigenen Büros am Kransnaya Varota (Rotes Tor) als mein persönliches Projekt sicherlich ein entscheidender Punkt für einen erfolgreichen Start in einem für mich neuen Land.
Viele interessante Projekte konnten wir aufgrund verschiedener Gründe nicht realisieren. Unser Projekt in Skolkovo und die Projekte auf der Bolotny-Insel waren für mich persönliche Highlights, weil ich als Projektleiter in diesen Projekten sehr involviert war und viel über das Planen und Bauen in Russland lernen durfte. Auch heute noch, während meiner Zeit in Teheran, bin ich in unser Russlandgeschäft als Bindeglied involviert. Aufgebaute und gewachsene Freundschaften und Geschäftsbeziehungen erlauben uns auch heute noch an diversen Tendern vor Ort in Russland teilzunehmen.
NAX: Danke, Christoph, für diesen aufschlussreichen trip down memory lane!
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