Botschafter Dr. Claudius Fischbach berichtet zu Katar

berichtet über nachhaltiges Bauen, Arbeitsschutz und Chancen für deutsche Architekten

NAXNAX Netzwerk Architekturexport sprach mit Dr. Claudius Fischbach, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Doha/Katar über die großen Herausforderungen der Corona-Pandemie, die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Bauprojekte und die zahlreichen Reformen im Arbeitsrecht. Die Region ist und bleibt ein interessanter Markt für deutsche Architekten und Planer.


Botschafter Dr. Claudius Fischbach, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Doha / Katar

Botschafter Dr. Claudius Fischbach, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Doha / KatarBotschaft der Bundesrepublik Deutschland

NAX: Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Fischbach, Sie sind seit dem letzten Jahr Botschafter in Katar und verfolgen naturgemäß vor Ort auch die immensen stadtplanerischen und architektonischen, teilweise auch Bauentwicklungen in Katar – Stichworte u.a.: Fußball-WM, Lusail City. Gleichzeitig schwächelt die Baubranche, die Corona-Pandemie führt zu Einschränkungen und die umstrittenen Arbeitsbedingungen für Bauarbeiter sind ebenfalls nicht vergessen: Wie nehmen Sie die aktuelle Lage der Baubranche im Emirat wahr?

Botschafter Dr. Claudius Fischbach: Die Corona-Pandemie stellt uns alle vor große Herausforderungen. Auch Katar hatte im vergangenen Frühjahr mit einem dynamischen Infektionsgeschehen zu kämpfen, konnte die Infektionszahlen aber senken.
Das war nötig für die fristgerechte Fertigstellung von Infrastrukturprojekten in Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2022. Neben den Stadien sind v.a. das Metro- und Straßenbahnnetz sowie der Straßenbau zu nennen. Es gibt aber nicht nur die WM: Das Land bleibt wegen Großprojekten wie beispielsweise dem Ausbau der Förderkapazitäten für Flüssiggas oder der Entwicklung der Freihandelszonen für die Baubranche interessant.
Und: gerade im kulturellen Bereich wird in Katar nicht nur viel, sondern auch architektonisch auf hohem Niveau gebaut. Die Museen für islamische Kunst und das neue Nationalmuseum zeigen, dass hier viel Wert auf Architektur gelegt wird.
Katar bemüht sich mittlerweile, auch wegen deutlicher Kritik aus dem Ausland, in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und mit Unterstützung seiner internationalen Partner, darunter auch Deutschland, um eine Verbesserung der Lage der Hundertausenden ausländischen Arbeitnehmer. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Reformen im Arbeitsrecht durchgeführt, um das in der gesamten Region verbreitete „Bürgen- oder kafala“-System, das den Arbeitgebern weitgehende Kontrolle über Aufenthaltsort und Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten einräumt, zu modernisieren. Die ILO spricht davon, dass dieses Bürgensystem in Katar mit den Reformen zumindest im rechtlichen Sinne effektiv abgeschafft wurde. Es bestehen aber weiter Probleme bei der Umsetzung der Reformen.
Katar hat zudem als erstes Land der Region einen allgemeinen Mindestlohn und ein elektronisches Lohnzahlungssystem eingeführt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Arbeiter ihr Gehalt auch in vollem Umfang erhalten. Bei der Umsetzung der Reformen und der Kontrolle der Vorschriften bleibt dennoch noch viel zu tun – gerade, mit Blick auf die Lage der besonders vulnerablen Hausangestellten. Hier wird Katar am Ball bleiben müssen.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmern weiter verbessert werden und stehen mit unseren Partnern bereit, Katar dabei zu unterstützen.


Doha/Katar aus der Luft

Doha/Katar aus der LuftJanManu, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

NAX: Besonders das Projekt Smart-City Lusail spiegelt wider, wie sehr die globale Notwendigkeit nachhaltiger Stadtplanung in den klimatisch herausfordernden Regionen der Golfstaaten bei den dortigen Entscheidungsträgern angekommen ist: Werden diese ambitionierten und beispielhaften Pläne realisiert werden können?

Botschafter Dr. Claudius Fischbach: Nachhaltiges Bauen gewinnt in Katar immer mehr an Bedeutung. So hat sich das Land beispielsweise verpflichtet, die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 als erstes großes Sportereignis klimaneutral auszurichten. Großprojekte wie ein erstes Solarkraftwerk mit 800 MW Nennleistung sind bereits im Bau.
Das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen kann in Katar aber durchaus noch wachsen, vor allem abseits von Vorzeigeprojekten wie „Lusail Smart City“. Gerade unter den schwierigen klimatischen Bedingungen im Land besteht Potential zur Reduzierung des Energie- und Wasserverbrauchs durch innovatives Design und Planung von Gebäuden und den Einsatz neuer Baumaterialien und -techniken.
Was die Verwertung von Wertstoffen und Konzepte von Kreislaufwirtschaften angeht, können deutsche Firmen sicher einen Beitrag dazu leisten, dass Katar seine ambitionierten klimapolitischen Ziele aus der Nationalen Entwicklungs-Vision und unter dem Klimaabkommen von Paris erreichen kann.


Al Khalifa Stadium Doha

Al Khalifa Stadium Doha D@LY3D from Qatar, Doha, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

NAX: Auch Architektinnen, Ingenieure, Fachplanerinnen und Unternehmen der international tätigen deutschen Wertschöpfungskette Bau sind in Katar tätig oder an einem Markteintritt interessiert: Haben Sie Empfehlungen für eine dortige Akquise-Strategie? Welche Do’s und Dont’s sind zu berücksichtigen, um überzeugen zu können? Was muss man wissen?

Botschafter Dr. Claudius Fischbach: Deutsche Unternehmen genießen in Katar einen ganz hervorragenden Ruf. Die Hauptstadt Doha wächst immer weiter, was Möglichkeiten für neue Geschäfte eröffnet.
Gleichzeitig ist Katar ein umkämpfter Markt. Ob es nach der Fußball-Weltmeisterschaft und anderen Großbauprojekten noch weiteres Wachstum im Bausektor geben wird, bleibt abzuwarten – gerade auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Das kann durchaus Chancen für deutsche Firmen bieten, die auf langfristige Geschäftsbeziehungen bauen möchten. Einige der hier tätigen deutschen Unternehmen sind seit Jahrzehnten im Markt und haben tragfähige Netzwerke aufgebaut.
Katar modernisiert außerdem sein Unternehmensrecht und will ausländischen Unternehmen den Aufbau von Büros und Produktionsstätten im Land Schritt für Schritt erleichtern. So ist z.B. ein heimischer Joint Venture-Partner seit einiger Zeit nicht mehr erforderlich, um eine Firma in Katar zu gründen.


NAX: Wie können die deutschen Botschaften beim Markteintritt unterstützen?

Botschafter Dr. Claudius Fischbach: Die Botschaft und das Büro der AHK in Doha sind gerne Ansprechpartner bei konkreten Fragen. Gemeinsam unterstützen sie Reisen deutscher Wirtschaftsdelegationen – in Corona-Zeiten eben virtuell. Schließlich besteht in Katar seit vielen Jahren ein Wirtschaftskreis deutscher Unternehmen, der „German Business Council in Qatar“, dessen Mitglieder ihren reichen Erfahrungsschatz mit den „Newcomern“ immer gerne teilen.


NAX: Katar steht für…… – wären Sie so nett und beenden den Satz mit Ihrer persönlichen Einschätzung/Meinung?

Botschafter Dr. Claudius Fischbach:Katar steht für den Versuch, Tradition und Moderne miteinander zu verbinden. Das zeigt sich insbesondere in der Architektur des Landes, gerade in den schon genannten Museen, die klassische Stilformen aufnehmen, aber genauso Ikonen der Moderne sind.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben, sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Fischbach! Alles Gute!

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