NAX AFTERWORK TALK #3: Women Planning Power!

16.6.2021

Das Netzwerk Architekturexport NAXNAX Netzwerk Architekturexport unterstützt deutsche Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen, Stadt- und Fachplaner sowie Ingenieurinnen seit knapp 20 Jahren bei der Internationalisierung und der Erschließung neuer Märkte und setzt sich weltweit mit einem breiten Leistungsportfolio für die hohe Planungsqualität und Expertise ganzheitlichen und nachhaltigen Planens und Bauens „Made in Germany“ ein. Teil des Portfolios sind u.a. unsere NAX AFTERWORK TALKS, die mehrmals im Jahr digital mit Paten (Mitgliedern) und Partnern (Sponsoren) sowie hochkarätigen Gästen stattfinden zu interessanten Themen rund um das Planen und Bauen International.

Zum Auftakt 2021 widmeten wir uns anlässlich des Festivals Women in Architecture (WIA) am 16.6.2021 dem Thema „Women Planning Power! Frauen in der Architektur und in Führungspositionen“. Mit den Teilnehmenden und Impulsgeberinnen haben wir den Fokus auf die Frauen unter den Planenden gerichtet und uns u.a. folgende Fragen gestellt um zum digitalen Dialog und Austausch anzuregen:

  • Wie fühlen Sie sich heute wahrgenommen als Frau im Architekturbereich, in einer Führungsposition?
  • Wie ist der Stand der Dinge in der Berufspolitik in Sachen Chancengleichheit?
  • Wie sind Planungsbüros heute in Sachen Frauenpower aufgestellt? Was fehlt, was wird gebraucht, wo muss mehr getan werden?
  • Wie machen es unsere Nachbarn in der EUEU Europäische Union?

Zur Begrüßung erinnert die neu gewählte Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, daran, dass Architektinnen immer schon ein wichtiger Teil des Erfolges waren – umso besser, dass sie dies immer öfter, immer selbstbewusster, immer erfolgreicher zeigen und eine Gleichstellung in allen Lebensbelangen einfordern. Sie sei davon überzeugt, dass der korrekte und für alle Seiten gewinnbringende Umgang mit Chancengleichheit für deutsche Architekturschaffende ein großer Wettbewerbsvorteil sein könne, gerade auch im Auslandsgeschäft. Export bleibe auch in Zeiten von globalen Lockdowns ein wichtiger Wirtschaftszweig. Die Pandemie habe gezeigt, dass sich auch eine solide geglaubte globale Wirtschaftslage schnell ändern könne. Wer divers aufgestellt und in verschiedenen Märkten aktiv ist, bleibe dabei wirtschaftlich resilient.

Der Erfolg deutscher Architektinnen und Architekten im Ausland unterstützte auch ihre Sichtbarkeit in der Politik und Öffentlichkeit in Deutschland. Diese sei dringend nötig, denn um im Ausland an Großaufträgen beteiligt zu werden, brauche es auch die Unterstützung der Bundesregierung. Aber wir exportierten nicht nur Leistungen und Produkte, sondern auch unsere Expertise, unsere Technologien und nicht zuletzt unsere professionelle Haltung zu wichtigen globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Rohstoffknappheit, Inklusivität und eben Gleichberechtigung – und damit könnten wir nicht nur zum Wissenstransfer beitragen sondern auch Vorbild sein.

BAKBAK Bundesarchitektenkammer-Vizepräsident Prof. Ralf Niebergall, der die Diskussion moderierte, betonte in seiner Begrüßung, dass das Ziel aller Initiativen und Verbände, die sich dem Thema Gleichstellung widmen, deren Auflösung sein müsse, indem Chancengleichheit selbstverständlich werde. Exemplarisch sei dies z.B. schon in den skandinavischen Ländern etabliert, was wir in einem Impulsbeitrag bestätigt bekamen.

Zunächst berichtete Dr. Philip Steden, Referatsleiter Wirtschaftin der Bundesarchitektenkammer, zur aktuellen Gender-Pay-Gap-Studie der BAK, die eine Sonderauswertung der umfangreichen Gehaltsdaten der „Strukturbefragung 2020“ der Architektenkammern hervorgegangen ist. Die Analyse hat zahlreiche strukturelle Unterschiede in der Berufsausübung zwischen Männern und Frauen in der Architektur aufgezeigt und bekam sowohl viel Zuspruch in der Architektenschaft als auch Kritik. Dies zeige, dass das Thema keinen kalt lasse und Diskussionen weiter sachlich geführt werden müssten. Der sog. unbereinigte Gender-Pay-Gap liege nach den Daten bei 26% – allerdings blieben dabei wichtige Faktoren unberücksichtigt. Z.B. würden Frauen häufiger in Teilzeit und auch eher in kleineren Büros arbeiten, während Männer eher in größeren Büros und in der gewerblichen Wirtschaft arbeiteten. Auch die Berufserfahrung spiele eine große Rolle (Stichwort Kinderauszeiten) bei der Bezahlung und in der Architektur tätige Frauen seien im Schnitt jünger als ihre männlichen Kollegen. Unabhängig von der betrachteten Teilgruppe gäbe es jedoch nach wie vor mehr Männer in Führungspositionen. Berücksichtigt man all diese Faktoren bei der Gehaltslücke, so bleibe diese bestehen, verringere sich aber deutlich auf durchschnittlich 7,3%. Ziel müsse nun sein, durch weitere Analysen und Befragungen herauszufinden, welche Faktoren die unterschiedlichen Beschäftigungsweisen von Männern und Frauen in der Architekturbranche bedingen. Die ausführliche Studie kann auf der Website der Bundesarchitektenkammer eingesehen und herunter geladen werden.

Prof. Niebergall stellte dann Caroline Nagel vor, die als deutsche ArchitektinProject Director beim international erfolgreichen dänischen Architekturbüro Cobe in Kopenhagen ist. Sie führte uns in ihrem Impulsvortrag vor Augen, dass Chancengleichheit in allen Belangen in Dänemark sehr viel geregelter und selbstverständlicher sei als in Deutschland.
Sie habe den heutigen Abend zum Anlass genommen, bei Cobe selbst einmal genau hinzuschauen und könne bestätigen, dass das Büro bei 130 Mitarbeitenden mit einem Anteil von 42% Frauen und 58% Männern fast paritätisch aufgestellt sei; das Geschäftsführungsteam bestünde aus 3 weiblichen und 4 männlichen Personen. Unterschiedlichkeiten würden als Bereicherung und Ergänzung genutzt. Mit u.a. einer 37h-Woche für alle sowie einer klar organisierten und auf Erfahrung basierenden, genderunspezifischen Gehaltsstruktur schaffe man eine gute soziale Infrastruktur und flexible, nachhaltige Arbeitsmöglichkeiten.
Die Pandemie und die verstärkte Frauenförderung können ebenfalls positiv bewertet werden, da sie flexibleres Arbeiten verstärkt hätten. Man könne sich dadurch voll und ganz auf die Projektaufgaben und Themenschwerpunkte konzentrieren, was Caroline Nagel anhand einiger Projekte erläuterte.
Als Architektin in einer Führungsposition kenne aber auch sie Situationen, in denen es immer wieder schwer sei, sich Akzeptanz zu verschaffen. Diese gelte insbesondere für Projekte in Deutschland, wo die Bauwirtschaft nach wie vor zum Teil sehr männerdominiert sei. Man werde immer dort als Entscheidungsträgerin akzeptiert, wo gemischte Teams arbeiten würden.

Als zweite Impulsgeberin fungierte Tina Unruh, Architektin, stellvertretende Geschäftsführerin der Hamburgischen Architektenkammer und Vorsitzende der BAK-Projektgruppe Chancengleichheit.Der Auftrag der Projektgruppe sei:

  • …konkrete Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von Chancengleichheit in Architektur und Stadtplanung zu entwickeln.
  • …Missstände klar zu benennen, zum Beispiel die wirtschaftliche Benachteiligung von Planerinnen am Markt.
  • … im Verbund mit bestehenden Netzwerken mehr politische Wirksamkeit für das Thema zu generieren.

Ziel sei das Aufbrechen bestehender Strukturen, die zu ungleicher Behandlung zwischen Planerinnen und Planern führe. Man habe im regen Austausch und offenen Diskussionen bereits zahllose Anregungen generiert, vielfältige Projektideen erarbeitet und Maßnahmen für mehr Sichtbarkeit, mehr Information und mehr Unterstützung etabliert. Aber auch innerhalb der einzelnen Länderarchitektenkammern sei das Bewusstsein und Verständnis von und für Chancengleichheit sehr unterschiedlich ausgeprägt.

In der anschließenden Diskussion berichteten die Teilnehmenden auch von sehr unterschiedlichen eigenen Erfahrungen in der Berufspraxis: Anfeindungen in früheren Jahren (auch unter Frauen) wurden genauso geschildert wie der z.T. immer noch harte Kampf in männerdominierten Umgebungen, aber auch die bereits gelebte komplette Durchmischung und das Einstellen sowie die Beurteilung nach Erfahrung statt Geschlecht. Zum Teil seien diese unterschiedlichen Erfahrungen generationsbedingt: für die junge, kommende Generation (egal, welchen Geschlechts) sei das Einfordern von Chancengleichheit, von Work-Life-Balance und familienfreundlichen Arbeitszeiten selbstverständlicher.
Alle waren sich darüber einig, dass es in Deutschland einen kulturellen Wandel brauche, denn es würde trotz allem Erreichten nach wie vor zu wenig Unterstützung geben. Veränderungen würden in Metropolregionen eher akzeptiert und gelebt werden als in ländlichen Gegenden; dafür brauche es Zeit und das richtige „mindset“.

Berufspolitisch werden die Bundesarchitektenkammer und ihr Netzwerk Architekturexport NAX das Thema Chancengleichheit national und international weiterhin aktiv begleiten.

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