NAX-Webinar „Value in Architecture“

15.6.2021

P.A. Sattrup_Danish Association of Architectural Firms

Qualitativ hochwertige Bauten leisten einen Beitrag zum sozialen Gefüge einer Nachbarschaft, sie beeinflussen die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Bewohner und tragen zum Klimaschutz bei. Architekturschaffende wissen das und auch die Forschung bestätigt immer wieder die positiven Effekte von hochwertiger Architektur. Doch für Bauherrinnen und Inverstoren zählen oft nur harte Fakten und klare Zahlen. In dem Online-Seminar des Netzwerk Architekturexport NAX am 15.6.2021 ging es darum, wie Architektur welche Mehrwerte kreiert und mit welchen Mitteln Architekturschaffende diese dokumentieren und evaluieren können, um sie erfolgreich gegenüber Stakeholdern zu kommunizieren.

Nach der Begrüßung und der Einführung ins Thema wurde mit einer Online-Umfrage ein erstes Stimmungsbild geschaffen. Wir wollten von den knapp 30 Teilnehmenden wissen, welche Rolle die Evaluation von Mehrwerten in ihren Projekten bisher gespielt hat. 57% der Befragten beantworteten diese Frage mit „große Bedeutung“, 43% jedoch mit „eher eine geringe Bedeutung“.

Dass sich dies ändern könnte, dafür sorgte der erste Vortragende, Peter Andreas Sattrup, Chief Consultant on Sustainability bei der Danish Asscociation of Architectural Firms, der in einer strukturierten Einführung über die verschiedenen Bereiche informierte, in denen eine Mehrwert-Dokumentation Sinn macht. Als Co-Autor der Publikationen „architecture creates value“ und „architect – document your value creation” hob er in seinem Vortrag besonders hervor, wie sehr Kommunikation Teil des Wertschöpfungsprozesses sei. Planende sollten sich die Frage „Was ist mein Projekt / Design wert?“ beantworten, dieses von außen betrachten und sowohl ökologische und soziale als auch ökonomische Nachhaltigkeit einbeziehen. Immer nur Kosten und Zeit als erstes im Kopf zu haben und sich daran lang zu hangeln führe nicht zur einer Wertschöpfung – auch, wenn dies bei Investierenden vorrangig wichtig sei.

Anhand einiger Projekte in Dänemark führte P.A. Sattrup aus, welche Mehrwerte es sich genauer zu betrachten lohnt, mit welchen Werkzeugen und Methoden man diese evaluiert und was es braucht, um Investoren und Entscheiderinnen mit der richtigen Kommunikation zu überzeugen. Er bestätigte, dass in Dänemark immer mehr – auch kleinere – Büros von dem Thema überzeugt sind und die Evaluierung von Wertschöpfung ihrer Projekte erfolgreich im Business Development und bei der Akquise kommunizieren und nutzen.

Der soziale Mehrwert, den Entwürfe für die Gesellschaft kreieren, ist enorm. Sie können als Impulse für gesellschaftlichen Wandel stehen. Prof. Xaver Egger, Gründer und Geschäftsführer des in Hamburg und Berlin ansässigen Büros SEHW Architektur zeigte als nächstes anhand u.a. des Projektes urban manufacturing auf, wie er und sein Team Mehrwerte ihrer Projekte durch oft langjährige Begleitung in der Betriebsphase evaluieren und die Ergebnisse neuen Konzeptideen zugrunde legen.

Für ihn sei besonders wichtig, das Gebäude in seinem gesamten Lebenszyklus von Anfang an im Blick zu haben. Die Evaluation der Idee würde als erstes Stadium schon in der Frühphase der Projektinitiierung gestartet – auch unter Einbeziehung der späteren Nutzenden, wenn möglich. Ein weiteres Stadium sei das Feedback der Bauherren und der Bewohnerinnen, wenn das Projekt fertig ist – hier auch nach Projektabschluss den Kontakt zu halten, sei für ihn ein großer Mehrwert, der sich auch wirtschaftlich positiv gestalten ließe (wenn ein zufriedener Bauherr z.B. einen Folgeauftrag hat).

SEHW, Jennifer Reufels

Prof. Egger bestätigt, dass eine ausführliche Evaluation der Projektaufgabe und sehr viel Research-Arbeit, Mehrwert generieren und eine Vermarktungs-Strategie entwickeln kann, die sich auf ein verändertes nachhaltiges Konsumverhalten und die Innenverdichtung unserer Städte einstellt und die Bauherrin überzeugen kann. Hier müsse man investieren (Zeit und Personal) – aber es lohne sich!
Innerhalb seines Büros sei der Evaluierungsprozess anfangs bei Marketing/ÖA angesiedelt, würde dann aber in die interne Projektkommunikation eingeflochten.

Auf die Frage, wie man einen Bauherren überzeugen kann, sein Konzept zu überdenken, empfiehlt er, Vorteile und Mehrwerte herauszustreichen (z.B. sozial-gesellschaftliche, ökologische, Image etc.), finanzielle Anreize zu betonen (wo möglich, je nach Bauaufgabe, z.B. Fördermöglichkeiten), aber auch Hard Facts bereitzustellen. Je nach Projekt unterscheide sich der Evaluationsprozess.

Im Folgevortrag widmeten wir uns den Gebäuden, in denen sich Menschen aufhalten, denen es mental und physisch nicht gut geht – in diesen Gebäuden muss Architektur besonders viel leisten und der soziale und gesellschaftliche Mehrwert ist besonders bedeutend. Die Rede ist von Krankenhäusern und dem Thema Healing Architecture, dem sich besonders das NAXNAX Netzwerk Architekturexport-Patenbüro Nickl&Partner verschrieben hat. Hieronimus Nickl, Geschäftsführer von Nickl&Partner, zeigte in seinem Vortrag anhand nationaler und internationaler Projektbeispiele sehr überzeugend auf, wie Mehrwerte in der Krankenhausarchitektur erzielt und evaluiert werden können.
In drei Statements machte H. Nickl klar, dass das Konzept der Healing Architecture an sich schon einen Mehrwert darstellt, wenn man es von Anfang an bei der Planung berücksichtigt:

  1. Architektur kann nicht heilen, aber sie kann zur Gesundung und zum Wohlbefinden beitragen.
  2. Healing Architecture ist nicht nur für Krankenhäuser/Gesundheitsbauten wichtig, sondern für die gesamte gebaute Umwelt.
  3. Ist Architektur Luxus? Nein! Die Qualität von Gesundheitsgebäuden kann zu einer Stärkung von System und Mitarbeitenden beitragen.
© Nickl & Partner Architekten

Die Mehrwerte, die z.B. der richtige Einsatz von Licht, Zugang zu Natur, Lärmreduzierung, Design und Infektionskontrolle in einem Gesundheitsgebäude generieren können, überzeugen schnell. Es gilt, nicht nur für den Patienten, sondern auch für die Mitarbeitenden sowie für Besucherinnen eine Atmosphäre zu schaffen, die gesunden bzw. gerne arbeiten lässt. Kommunikations- und Begegnungsflächen nehmen zu und werden auch für das Personal wichtiger, da mittlerweile klar ist, dass Personalzufriedenheit Hand in Hand mit dem Krankenstand gehe. Auch das Planen für Kinderbelange sei speziell und auf Flexibilität und Unterscheidung angelegt.

Es gilt, diese Mehrwerte überzeugend in einen Kommunikations- und Dialogprozess mit Entscheidungsträgern einzubauen. Der Markt verlange das, auch international – leider müsse man jedoch besonders gegenüber öffentlichen Auftraggebern (die bei Gesundheitsbauten die Mehrheit darstellen) immer wieder viel Überzeugungsarbeit leisten. Oft werde der Rotstift angesetzt, der dann „von außen nach innen“ (erst Fassade, dann Innenräume, dann Haustechnik) zu einem Abbau von Mehrwerten führen kann. Er hoffe jedoch, dass die aktuelle weltweite Pandemie, die auf die Missstände im Gesundheitswesen aufmerksam mache, , einen Katalysator im Bereich Healing Architecture darstelle.

Über das Potenzial von früher Detailplanung bei der Mehrwertgenerierung referierten im Anschluss Günther Weizenhöfer und Oliver Roth vom langjährigen NAX-Partner GEZE am Beispiel Türfachplanung. Beide sind Autoren des Leitfadens Türplanung, der im BEUTH Verlag erschienen ist. An Beispielen für komplexe Türen veranschaulichten sie, wie zwischen Baurecht und Nutzeranforderungen Mehrwert durch eine frühe und passende Türfachplanung geschaffen werden kann:

GEZE GmbH

Im abschließenden Vortrag des Tages referierte Kristine Kjørup Rasmussen vom dänischen Architektur- und Stadtplanungsbüro SLA, wie Biodiversität als Mehrwert in Projekte einfließen und wie man diesen gegenüber Entscheidungsträgern und Investorinnen kommunizieren kann. SLA sei dieses Thema bei seinen Projekten sehr wichtig, die als resilient and sustainable urban spaces national und international geplant werden. Die Stadtplanung der Zukunft müsse Biodiversität erhalten. Mit der Kombination von Wissenschaft und Kunst gelinge SLA mit ihrem nature based design die Berücksichtigung biodiverser Belange. Man dürfe nicht mehr fragen: „Was kostet es, eine Biodiversitätsstrategie in mein Projekt aufzunehmen?“ sondern: „Was kostet es (später), wenn wir es nicht tun?“… Aber wie übersetzt man diese Ansätze und Mehrwerte in hard facts und wie überzeugt man Stakeholder damit? Anhand einiger Projekte in London, Toronto und Kopenhagen beschrieb K.K. Rasmussen die ausführlichen Forschungs- sowie Kommunikationsprozesse, die ihren Projekten vorausgehen bzw. sie begleiten.

Die sehr unterschiedlichen und interessanten Vorträge können bei Interesse im NAX-Büro angefordert werden, soweit freigegeben.

SLA


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