NAX AFTERWORK TALK #3: Arbeitgeber 4.0 – Recruiting von Fachkräften im In- und Ausland

21.7.2021

Interview

InterviewChristina Wocintechchat / unsplash

Deutsche Architektinnen und Architekten aller Fachrichtungen, Stadt- und Fachplaner sowie Ingenieurinnen genießen auf dem internationalen Markt einen exzellenten Ruf für ihre hohe Qualität und Expertise. Das Netzwerk Architekturexport NAX unterstützt sie als Außenwirtschaftsinitiative der BAKBAK Bundesarchitektenkammer seit knapp 20 Jahren bei der Internationalisierung und der Erschließung neuer Märkte und setzt sich weltweit mit einem breiten Leistungsportfolio für die hohe Planungsqualität und Expertise ganzheitlichen und nachhaltigen Planens und Bauens „Made in Germany“ ein. Teil des Portfolios sind u.a. unsere NAXNAX Netzwerk Architekturexport AFTERWORK TALKS, die mehrmals im Jahr digital mit Paten (Mitgliedern) und Partnern (Sponsoren) stattfinden. Mit diesen sowie mit hochkarätigen Gästen diskutieren wir interessante Themen rund um das Planen und Bauen International.

Am 21.7.2021 widmeten wir uns einem Thema, das in Zeiten von breitem Fachkräftemangel besonders auch die deutsche Baubranche umtreibt: dem Rekrutieren – und Halten – von Fachkräften im In- und Ausland. Eine Umfrage der DIHK zu Jahresbeginn ergab, dass 67% der befragten (Bau)unternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung sehen. Zum Jahresbeginn 2010 waren es dagegen nur 21 %.

Und trotzdem es der Branche nicht besser gehen könnte in Zeiten voller Auftragsbücher, niedrigen Zinsen und ambitionierten Ausbauzielen der Politik: es ist schwer, gute, verantwortungsvolle, motivierte und erfahrene Mitarbeitende zu rekrutieren – und zu halten, besonders in höheren Führungs- und Leitungspositionen. Wir müssen uns in unseren Ausschreibungs- und Bewerbungsprozessen anpassen an sich ändernde Anforderungen von möglichen zukünftigen Mitarbeitenden und ein attraktiver Arbeitgeber werden.

Für diese Diskussion haben wir uns als Experten und Gast Dirk Ohlmeier, Geschäftsführer von Ethos Human Recruitment GmbH in Berlin eingeladen. Von seinen Erfahrungen im Bereich HRHR Human Resources wollen wir uns Anregungen und Impulse holen, uns austauschen und darüber diskutieren, wo beim Thema Recruiting / Mitarbeitersuche die Reise hingeht unter Berücksichtigung von, u.a. generationsbedingten, sich wandelnden Anforderungen an Arbeitgebende und -nehmende.


Wie gewinne ich Mitarbeitende durch „das bessere Produkt“?

Nachfolgend eine Zusammenfassung des Impulsvortrages von Dirk Ohlmeier.

Dirk Ohlmeier | © Dirk Ohlmeier
© Dirk Ohlmeier

Geschäftsführer Ethos Human Recruitment GmbH, Berlin

Dirk Ohlmeier

Als Personalberater mit 15 Jahren relevanter Erfahrung im Bereich Bau-Ingenieurbau und Architektur weiß ich, dass die Personalgewinnung sich drastisch verändert hat. Dennoch ist es möglich, Personal für sich zu gewinnen. Nachfolgend noch einmal die Kernaussagen meines Impulsreferates und ein paar Anregungen, die Ihnen bei der Personalgewinnung helfen sollen.

Seien Sie das bessere „Produkt“ und Sie kommen aus der Vergleichbarkeitsfalle:

Aktuell sind ca. 50.000 offene Position bei dem Schlagwort „Architektur“, bei nur einem Job-Portal zu besetzen. Wenn wir uns darstellen wie alle anderen auch, mit den gleichen Anforderungen und Wünschen, dann stehen unsere Chancen als attraktiver Arbeitgeber schlecht. Wir müssen anders sein!

Jeder Arbeitgeber, jedes Büro und jeder Vorgesetzte sind individuell und einzigartig – das ist Ihre Chance, die besseren Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Zeigen Sie, warum Sie / Ihr Büro / Ihr Unternehmen anders sind! Zeigen Sie Persönlichkeit, zeigen Sie den Mehrwert hinter dem Job. Der Job an sich ist überall der gleiche, aber wie ich ihn ausführe, mit wem, in welchem Umfeld, das hat an Bedeutung gewonnen. Das bessere „Produkt“ entsteht bei dem potenziellen Kandidaten durch eine inspirierende Stellenanzeige, die ihm das Gefühl gibt, ein Mehrwert für den Arbeitgeber zu sein und dessen größeres Ziel, eine Vision zu verwirklichen, mit voranzubringen. Ist diese Vision Teil Ihrer Stellenanzeige?

Wenn der Kandidat nicht zu Ihnen kommt, dann gehen Sie zum Kandidaten:

Das bessere Produkt erreicht die potenziellen Kandidaten dort, wo sie sich aufhalten, nicht dort, wo Sie Stellenanzeigen schalten. Nutzen Sie bestehende als auch neue Netzwerke und soziale Medien. Sie müssen kein Headhunter sein um LinkedIn, Xing, Ihren Verein mit Informationen zu versorgen und Aufmerksamkeit zu generieren. Auch eigene Mitarbeiter können ein Multiplikator sein und sind Teil Ihrs Netzwerks.

Unser Prozess ist schnell, begeistert und ist relevant für potenzielle Kandidaten?

Wenn es einen Kandidatenüberfluss gibt, was wir Jahrzehnte lang hatten, dann ist der HR-Prozess auf „Prüfung“ ausgelegt. Wir prüfen Eignungen und Fähigkeiten der Kandidaten, das steckt nach wie vor in vielen „Köpfen“. Wir müssen jedoch anfangen umzudenken und die Beziehung, die Vision und das Leben von Kandidaten individueller berücksichtigen, um eine Beziehungsebene frühzeitig aufzubauen, Vertrauen zu schaffen.“ Warum passt genau dieses Büro Büro, dieser Vorgesetzte, dieser Job besser in mein Leben, als der Job von Firma XY?“ – dies sollte die Frage im Kopf des sich Bewerbenden sein. Begeistern Sie den Kandidaten, in dem Sie ihn mehr als Mensch sehen und nicht „nur“ als Arbeitskraft. Und machen Sie es wie Google: Denken Sie in Stunden und nicht in Wochen, wenn es um Einstellungsprozesse geht. Diese kleinen Veränderungen erhöhen die Relevanz bei den Kandidaten und können Ihre Erfolgschancen steigern..

Nächste Schritte – Fragen Sie sich:

  • Wie sieht Ihr Büro/Unternehmen als besseres Produkt konkret aus?
  • Welche Kandidatenmärkte können Sie noch erreichen?
  • Wie fangen Sie Kandidaten emotional ein?

Dies sind nur einige Anregungen aus meinem Vortrag. Ich hoffe, Sie konnten einige Impulse für sich und Ihr Unternehmen mitnehmen. Meiner Erfahrung nach entsteht Zukunft durch Menschen, die anpacken, lernen und sich weiterentwickeln. Melden Sie sich gerne, wenn Sie weitere Fragen haben.


In der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmenden, bei denen diese von ihren Erfahrungen berichten, wird schnell klar: es ist Luft nach oben im jeweiligen Bewerbungsprozess! Immer wieder stellt Dirk Ohlmeier dabei heraus, dass Bewerbungsprozesse und Einstellungsgespräche heute zum Erfolg führen, wenn Arbeitgebende eine offene Kommunikation pflegen, den Kandidaten / die Kandidatin emotional abholen, flexibel und dialogbereit sind, auf Austausch und ein individuelles Eingehen auf die Vorstellungen des Kandidaten setzen und auf Augenhöhe kommunizieren. Es gehe nicht mehr darum, nur einen Job anzubieten, und ein Ausschreibungsprozess im Sinne von „one size fits all“ sei überholt. Flexibilität bei Arbeitsmodellen sei (gender-übergreifend) längst im Arbeitsalltag angekommen, und sei durch Corona natürlich verstärkt worden.

Das eigene Büro / Unternehmen als „Marke“, als „Produkt“ zu betrachten und den Mehrwert für den Kandidaten herauszuarbeiten, um ihn / sie anzusprechen – darum gehe es heutzutage. Dies könne z.B. auch mit einem Video unterstützt werden, das zeitgemäß und aktiv besonders jüngere Arbeitssuchende anspreche. Auch müssten in Deutschland die Stellenanzeigen inspirierender gestaltet werden.

Im Bewerbungsprozess müsse man heute schnell sein, und es sei wichtig, Kandidaten „bei Laune zu halten“ in diesem Prozess indem man sie frühzeitig kontaktiert, einlädt, Kontakt hält bis die finale Auswahl getroffen ist. Für das Gespräch selbst sollte man sich Zeit lassen und sehr offen und individuell auf den Kandidaten eingehen. Aber: sich bis zu einer Entscheidung zu lange Zeit zu lassen, das führe heute nicht mehr zum Erfolg.

Des Weiteren müsse man aktiver seine Netzwerke gestalten und nutzen – auch für das Mitarbeiter-Recruiting. Neben u.a. auch Social Media sind die besten Multiplikatoren eines Büros / Unternehmens die (zufriedenen) Mitarbeitenden in den eigenen Reihen.

Über die Mitarbeitenden-Suche via Social Media gäbe es jedoch geteilten Zuspruch aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen. Mitarbeitende seien dort durch ihre eigene Präsenz / ihr Netzwerk z.B. auch schneller abzuwerben. Mitarbeitende seien kein Eigentum – und natürlich könne man niemanden halten, der gehen wolle, meint Dirk Ohlmeier dazu. Aber besonders im Bereich Halten von Mitarbeitenden gehe es darum, mit seinen Mitarbeitenden im Dialog, im Austausch zu bleiben, eine Beziehung aufzubauen, Vertrauen zu schaffen und sich ggf. auf sich verändernde Anforderungen anzupassen – ohne sich dabei als Arbeitgebender zu „prostituieren“, denn natürlich könne man nur anbieten, was auch zu leisten ist.

Ein Thema der (nahen) Zukunft sei sicherlich die Mitarbeiter-Partizipation. Hierauf müssten sich Arbeitgeber vermehrt einstellen, ist die Prognose von Dirk Ohlmeier.

Die Mitarbeitenden-Rekrutierung für Führungsposten im Ausland wurde in der Diskussion nur gestreift. Über dieses Thema wird das Netzwerk Architekturexport NAX ggf. in einem zweiten Termin sprechen.

Berufspolitisch werden die Bundesarchitektenkammer und ihr Netzwerk Architekturexport NAX das Thema Fachkräftemangel national und international weiter beobachten.

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