„Kommunikation ist das A und O in Italien.“

Interview mit Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, LAND srl

Der Landschaftsarchitekt BDLA und Städtebauer Andreas Kipar ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des internationalen Landschaftsarchitekturbüros LAND mit Sitz in Deutschland, Italien und der Schweiz. Nach seinem Studium zog es ihn nach Italien, wo er deutsches Knowhow mit italienischem Denken verschmelzen lassen konnte. In unserem Interview berichtete er über seine Erfahrungen und Projekte in Italien.


Landschaftsarchitekt Dr. Andreas Kipar

Landschaftsarchitekt Dr. Andreas Kipar auf Zeche ZollvereinD. Asbach

NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Lieber Herr Kipar, seit über 30 Jahren verwandeln Sie in Italien graue Industriebrachen in grüne Oasen. Was motivierte Sie damals dazu als deutscher Landschaftsarchitekt in Italien zu arbeiten?

Andreas Kipar: Nach dem Abschluss meines Studiums der Landschaftsarchitektur in Essen sagte mein Professor zu mir, „Kipar, du bist mir zu unruhig, du musst mal raus.“ Dann ging es also auf nach Italien, das mit seinen Kulturlandschaften seit jeher ein Zielort deutscher Sehnsüchte ist. Ich suchte Kontakte zu großen Vorbildern wie den Landschaftsarchitekten Pietro Porcinai in Florenz, dessen Denken mich bis heute beeinflusst. Aber in Florenz gab es irgendwie nichts für mich zu tun, dagegen gab es in und um Mailand Industriebrachen, wie ich sie aus dem Ruhrgebiet kannte, die auf neue Bestimmungen warteten. Da konnte ich praktisch zupacken und zugleich durch ein zweites Studium der Architektur und Urbanistik am Mailänder Polytechnikum mein deutsches Knowhow mit italienischem Denken verschmelzen. Was kann schöner sein, als diese beiden Seiten im alten Kulturland Italien, das zugleich zumindest im Norden hochentwickelt nach Zukunftslösungen sucht, umzusetzen?


Porta Nuova: das größte Stadtentwicklungsprojekt in Mailand

Porta Nuova: das größte Stadtentwicklungsprojekt in Mailand Nicola Colella

NAX: Sie waren auch am preisgekrönten Porta Nuova-Projekt im neuen Businessherz von Mailand beteiligt. Welche Besonderheiten machten dieses Projekt aus, welche Herausforderungen hat es an Sie als Landschaftsplaner gestellt und was haben Sie aus diesem Projekt mitgenommen?

Andreas Kipar: Porta Nuova ist das größte Stadtentwicklungsprojekt, das je im Herzen von Mailand durchgeführt wurde. Das Projekt erstreckt sich über drei Stadtteile (Garibaldi, Varesine und Isola) und umfasst eine 290.000 Quadratmeter große ehemalige Industriebrache, die 50 Jahre verfallen lag. Das Projekt setzte eine Vision der Nachhaltigkeit um, die städtebauliche, infrastrukturelle und ökologische Aspekte zusammenführt. Die Neugestaltung von Porta Nuova zielte als natürliche Erweiterung der bestehenden Stadtteile darauf ab, die Geschichte und Identität der einzelnen Stadtteile miteinander zu verknüpfen, was mir ein besonderes Anliegen war. Natürliche Erweiterung im wahrsten Sinne des Wortes: Es ging mir darum, eine neue Stadtlandschaft durch die Aufwertung des öffentlichen Raums zu prägen. So wurden qualitativ hochwertige öffentliche Räume, neue Plätze, Fußgängerwege und öffentliche Grünanlagen geschaffen. Landschaftsarchitektur spielt die Rolle eines Moderators. Es sind natürliche Elemente, die Gebäude und Räume zu einer Einheit verschmelzen. Und das geradezu auf eine spektakuläre Weise, denn so ist Porta Nuova nicht nur ein Dreh- und Angelpunkt  zwischen den drei Stadtteilen, sondern auch zu einem Ziel,  zu einem Treffpunkt für die Einwohner Mailands und die Besucher der Stadt geworden.


Das Mailänder Modell „Raggi Verdi“ (Grüne Strahlen)

Piazza Gae Aulenti in MailandNicola Colella

NAX: Die grüne Welle, die in Mailand begann, schwappt über ganz Italien hinweg. Welche Kriterien beinhalten Masterpläne für lebenswerte, zugängliche und integrierte Strukturen?   

Andreas Kipar: Entscheidend ist die Methode. Wir erkunden die Landschaft, tauchen in die Gesellschaft ein und fühlen den Puls des Geschehens. All das tun wir mit der notwendigen Distanz und schaffen ein Verständnis für die Entwicklung der Landschaft. Denn jede Landschaft hat ihre eigene Seele und ist zugleich Spiegel der Gesellschaft, die sie geformt hat. Deutlich ist: Die aktuellen Herausforderungen durch den Klimawandel, den Naturabbau und das Bevölkerungswachstum können nur noch in der großen Dimension denkend und in der kleinen Anwendung entwerfend begegnet werden. Unsere Vorgehensweise zeichnet sich immer durch eine persönliche Note aus und ist geprägt von Weitblick und Großzügigkeit, ausgerichtet auf den Protagonisten: den Menschen, der in und mit der Landschaft lebt, ob in urbanen wie ländlichen Räumen. Nur so können wir die Komplexität der oftmals fragmentierten Landschaften überwältigen und in Einklang bringen. Nur so können neue, lebenswerte Freiräume entstehen. Unsere multidisziplinäre Arbeit nimmt sich jeder Besonderheit an und harmonisiert sie in einer ganzheitlichen Vision, die strategisch und prozessorientiert zugleich ist. Unsere Landschaftsarchitektur gibt Antworten auf die heutigen Umweltanforderungen einer sich fortwährend wandelnden Gesellschaft. So kann aus Natur greifbare Realität entstehen, die Freiraum zum Leben, zur Zukunft bietet.


LOC – Loreto Open Community: Neugestaltung von Piazzale Loreto in Mailand

LOC – Loreto Open Community: Neugestaltung von Piazzale Loreto in Mailand Ceetrus+Nhood

NAX: Können Sie etwas über die Baurealität in Italien sagen? Wie unterscheiden sich die Zusammenarbeit von Architektinnen, Bauherren und Behörden in Italien und wie die Planungs- und Prozessabläufe aus Ihrer Erfahrung?

Andreas Kipar: Zu Italien und Deutschland gehören die bekannten (Vor-)Urteile über die jeweiligen Partner. Hier die Fantasie, dort die Organisation, hier die Improvisation, dort die Programmierung usw. Dabei sind die Verhältnisse nicht so weit voneinander entfernt, wie man vielleicht vermutet. Es kommt immer auf die Mischung an. Wichtig ist, auf die Besonderheiten des Bauherren, seine Wünsche einzugehen, um dann in manchmal langen Dialogen die besten Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Kommunikation ist das A und O in Italien. Und man darf nicht vergessen, dass Italien ein hochentwickeltes Land ist auf Augenhöhe mit Deutschland wirtschaftlich, und kulturell sowieso. Dass es dann gerade in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand immer mal wieder bürokratische Hürden geben kann und auch die Zeiten etwa bei Zahlungen länger sein können, muss man einkalkulieren. Schönheit und das Vergnügen, hier zu arbeiten, haben ihren Preis.


NAX: Zum Abschluss: Mit welchen drei drei Schlagworten würden Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen motivieren, in Italien Projekte anzugehen?

Andreas Kipar: Mit Neugier für die Geschichte vor Ort; mit offenen Ohren für die sozialen Beziehungen und die Menschen vor Ort; und mit Lust am Kultivieren für eine lebenswerte Zukunft.


NAX: Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben, lieber Herr Kipar! Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und spannende Projekte.

Mehr Informationen zu den Projekten von Andreas Kipar und seinem Team finden Sie auf der Website von LAND.

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