ERASMUS ELLER, Dipl.-Ing. Architekt BDA, Geschäftsführer, geboren 1965, stammt aus einer Architektenfamilie. Sein Vater, Fritz Eller, war von 1962 bis 1992 Professor an der RWTH Aachen und gründete 1964 in Düsseldorf das Architekturbüro Eller Moser Walter. 1997 übernahmen seine Söhne Philipp, Erasmus und Marc die Leitung des nun umfirmierten Büros Eller + Eller. Seit 2003 ist Erasmus Eller alleiniger Geschäftsführer.
Erasmus Eller wurde vom Bund Deutscher Architekten BDA als Mitglied berufen. Er ist in die Architektenlisten der Architektenkammern Nordrhein-Westfalen und Berlin eingetragen und Mitglied im NAXNAX Netzwerk Architekturexport Netzwerk Architekturexport der Bundesarchitektenkammer sowie im Förderverein der Bundesstiftung Baukultur.
Darüber hinaus war er als Jurymitglied in mehreren Wettbewerben tätig, unter anderen als Vorsitzender der Jury bei dem internationalen Architekturwettbewerb der BMW AG „Urbane Produktion“ für den neuen BMW-Produktionsstandort in München und der Erweiterung / Umbau der bestehenden Bürogebäude und der Darüber hinaus war er als Jurymitglied in mehreren Wettbewerben tätig, unter anderen als Vorsitzender der Jury bei dem internationalen Architekturwettbewerb der BMW AG „Urbane Produktion“ für den neuen BMW-Produktionsstandort in München und der Erweiterung / Umbau der bestehenden Bürogebäude. Produktionsflächen des Firmensitzes von Seele in Gersthofen.
NAX: Im Januar 2021 ging Eller & Eller als Sieger aus dem internationalen Architekturwettbewerb für den Neubau des Siemens Healthineers Campus in Bengaluru – „the new Silicon Valley“ – hervor. Wie konnte Eller + Eller Architekten die Jury von Ihrem Konzept überzeugen und sich gegen die namhafte internationale Konkurrenz durchsetzen? Was waren die ausschlagenden Kriterien?
Die Jury hat sich letztlich für den Siegerentwurf entschieden, weil er als einziger die Campus-Idee konsequent umgesetzt hat.
Rainer Stark. Architekt, Leiter Neubau & Arbeitsplatzmanagement, Real Estate, Siemens Healthineers AG, Erlangen, Deutschland
Erasmus Eller: Das ausschlaggebende Kriterium war unserer Meinung nach, dass wir als einziger Entwurf die Idee des Campus in den Vordergrund gestellt haben. Dies lässt sich den Zitaten der Juryteilnehmer entnehmen. Das Leitkonzept für den Campus wird geprägt durch Konnektivität, Kollaboration, Kommunikation und Transparenz.
Technologische Innovation entsteht nicht nur in den räumlich klar definierten und auf konzentrierte Arbeit zugeschnittenen Funktionsbereichen Forschung und Entwicklung – sondern gerade auch durch das Aufeinandertreffen mit anderen Menschen, den ungeplanten Gedanken- und Meinungsaustausch, den interdisziplinären Impuls. Die menschliche Begegnung, das abwechslungsreiche Zirkulieren auf dem Campus, erhält in der von Eller + Eller zusammen mit Arup und Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten entworfenen Architekturlandschaft eine inspirierende Bühne.
Es ist sogar mehr als ein ‚Innovation Hub‘. Es wird ein pulsierender Siemens Healthineers Campus werden, auf dem wir arbeiten, leben und uns mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit der Welt innerhalb und außerhalb unseres Unternehmens vernetzen können.
Rainer Stark. Architekt, Leiter Neubau & Arbeitsplatzmanagement, Real Estate, Siemens Healthineers AG, Erlangen, Deutschland
„Seit meiner ersten Begegnung im Jahr 1999 hat mich Indien nicht mehr losgelassen. Seitdem war ich sechs oder sieben Mal dort, jedes Mal mit großer Neugierde und mit Dankbarkeit für die bleibenden Erfahrungen. Ich bin immer wieder fasziniert von der Intensität der menschlichen Begegnung. Ich bin auch sehr beeindruckt davon, wie in Indien der innere Antrieb des Einzelnen, etwas aus sich zu machen, die Menschen in der Gemeinschaft zusammenführt – und sie zu Erfindern im alltäglichen Kleinen wie im unternehmerischen Großen macht. Die Begeisterung, die in Indien zu spüren ist, um sich gemeinsam neuen Ideen zuzuwenden, ist auch mein persönlicher innerer Antrieb. Nicht umsonst lautet eines der Mottos unseres Büros: „Die menschliche Begegnung steht im Mittelpunkt unseres Handelns“.
Als wir an die spannende Wettbewerbsaufgabe herangegangen sind, haben wir uns schnell für die Idee eines Campus entschieden. Ein Campus bietet ein Forum für diese bemerkenswerte Kultur: Dort können viele engagierte Menschen zusammenkommen, Ideen austauschen und sich vernetzen, um gemeinsam Neues zu entdecken und zu entwickeln. In unserem engagierten Team und in Zusammenarbeit mit Arup und Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten haben wir diese ursprüngliche Idee mit großem Enthusiasmus weiterentwickelt und immer wieder mit den ehrgeizigen Zielen und Erwartungen von Siemens Healthineers verwoben und abgeglichen. Wir freuen uns daher sehr, dass wir die Jury gegen namhafte internationale Mitbewerber von unserem Konzept überzeugen konnten. Gemeinsam mit Siemens Healthineers werden wir nun Arbeitswelten für die jungen Talente von morgen (und übermorgen) entwickeln, familiär eingebettet in eine inspirierende Campus-Community.“
Erasmus Eller, Dipl.-Ing. Architekt BDA, Eller + Eller Architekten GmbH, Düsseldorf/Berlin, Deutschland
Ein weiteres signifikantes Kriterium scheint das Thema der Transparenz gewesen zu sein. Unser Konzept geht weit über die großzügige Verwendung von Glasflächen hinaus. Transparenz will hier vielmehr in ihrer übergeordneten Rolle verstanden werden: als „ganzheitlichere Vorstellung von Zugang und Kommunizierbarkeit, bei der Programme und Verkehrswege in Konfigurationen angeordnet sind, die mehr von den Aktivitäten des Gebäudes sichtbar machen und die Möglichkeiten für zufällige Begegnungen und informelle Ad-hoc-Gespräche zwischen den verschiedenen Bewohnern erhöhen. Diese Art von Transparenz macht das gesamte Forschungsumfeld zu einem Ort, an dem der interdisziplinäre Ideenaustausch und das Denken über den Tellerrand hinaus zur Norm werden.“
NAX: Indien will bis zum Jahr 2070 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen einerseits der steigende CO2-Ausstoß von Gebäuden gebremst, und zum anderen die Vorschriften zum nachhaltigen Bauen weiter verschärft werden. Auch Siemens zeigt sich ambitioniert, ganz im Sinne dieses Nachhaltigkeitsziels: So möchte Siemens Healthineers bis 2030 ein klimaneutrales Unternehmen hinsichtlich der eigenen Emissionen werden. Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit beim Siemens Healthineers Campus Projekt in Bengaluru?
Erasmus Eller: Das Thema Nachhaltigkeit spielt bei dem Projekt des Siemens Healthineers Campus Bengaluru neben den Designaspekten, den Planungskriterien und den gesellschaftlichen bzw soziologischen Aspekten eine ganz entscheidende Rolle. Siemens Healthineers hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 ein klimaneutrales Unternehmen in Bezug auf die eigenen Emissionen zu sein. Das resiliente Gebäude ist auf eine LEED-Platin-Zertifizierung ausgelegt.
Das Projektdesign ist darauf ausgerichtet, Räume zu schaffen, die die menschliche Interaktion erleichtern und fördern, was zu Problemlösungen und innovativer Zusammenarbeit führt. Um dies zu erreichen, wird der Campus als ein komplexes und hochentwickeltes Ökosystem betrachtet, in dem Laborforscher und Wissenschaftler das Fachgebiet durch eine Reihe von Aktivitäten routinemäßig voranbringen.
Auszug aus dem Erläuterungsbericht des Wettbewerbs
Die Gestaltung des Campus nutzt die lokalen klimatischen Bedingungen optimal aus. Die natürliche Ost-West-Luftzirkulation im Außenbereich wird durch ein Belüftungssystem, das den Venturi-Effekt nutzt, auch im Innenbereich fortgesetzt. Die für den Betrieb benötigte Energie wird so weit wie möglich auf dem eigenen Grundstück aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Die gebäudeeigene Recyclinganlage und die Wiederverwendung von Grauwasser sind Teil der Kreislaufwirtschaft. Große Freiflächen mit intensiver Begrünung sorgen für den Erhalt der Artenvielfalt auf dem Gelände. Das eigenständige Mikroklima des Campus trägt zur Verringerung des urbanen Wärmeinseleffekts bei.
NAX: Das Klima in Bengaluru spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, energieeffizientes Bauen zu ermöglichen. Inwieweit beeinflusst das Klima das Nachhaltigkeitskonzept, das Gebäudedesign und das Layout des Projekts? Wo sind Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede zu vergleichbaren Projekten in Deutschland?
Erasmus Eller: Das Projekt nutzt das Klima in Bangalore maximal aus, indem es ein Campus-Layout und ein Gebäudedesign vorschlägt, das die Nutzung der Belüftung und des natürlichen Tageslichts maximiert und gleichzeitig die Exposition gegenüber übermäßiger Sonneneinstrahlung reduziert. Das große Potenzial für die Erzeugung von Solarenergie wird durch die Integration von halbtransparenter Photovoltaik auf den Atrium-Vordächern und dachintegrierter Photovoltaik effektiv genutzt. Große Freiflächen mit intensiver Begrünung und Wasserrückhalteflächen sind geplant, um ein mildes lokales Mikroklima zu schaffen, das für die Nutzer angenehm ist, die Lufttemperatur und den Energiebedarf für die Kühlung reduziert und von Natur aus resistent gegen starke Regenfälle ist.
Die Bürogebäude werden mit einem gemischten Lüftungssystem betrieben. Zu diesem Zweck sind die Atrien mit Vordächern ausgestattet, die den „Venturi-Effekt“ erzeugen und den natürlichen Kamineffekt innerhalb der Atrien verstärken.
NAX: Die Aktivitäten in der Bauindustrie ziehen nach der Coronapandemie wieder langsam an und damit auch der Bedarf an energieeffizienter Lüftungs- und Klimatechnik, nachhaltigen Baustoffen sowie Planungs- und Beratungsdienstleistungen rund um das Thema Green Building. Lösungen für das Gebäudeenergiemanagement und andere Smart-Building-Anwendungen sind immer stärker gefragt. Wie geht Eller + Eller Architekten mit der steigenden Nachfrage und Verfügbarkeit von Materialien um, wo sieht Eller + Eller Architekten die Herausforderungen, diesen Bedarf zu decken?
Erasmus Eller: Das Gebäude für den SHI-Campus in Indien nutzt bei der Erstellung Materialien aus lokaler Verfügbarkeit. Hiermit ist die Erstellung des Campus unabhängig von etwaigen Lieferungen aus anderen Ländern. Planung und Realisierung sind an die lokalen Bedingungen abgepasst.
Die Siemens AG erstellt Smart-Building Solutions Inhouse. Diese kommen bei der Realisierung des Campuses zur Anwendung.
Die in Indien hergestellten Produkte werden aus Materialien vor Ort produziert, so dass keine Lieferengpässe wie aktuell in Europa bekannt, existieren. Baufirmen werden zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Planung von uns integriert, um Kapazitäten und Material rechtzeitig kalkulieren zu können.
Wir waren auf der Suche nach einem Campus-Feeling mit vielen Freiflächen, gepaart mit einem ikonischen Design, um die offene Kultur in unserem Unternehmen zu repräsentieren. Der Vorschlag von Eller + Eller hat all diese Eigenschaften und klassischen Designelemente, und deshalb ist er ein Gewinner.
Dileep Mangsuli, Leiter, Siemens Healthineers Entwicklungszentrum, Bengaluru, Indien
NAX: Vielen Dank , lieber Erasmus, für die interessanten Einblicke in eure wegweisenden Projekte!