Ein erfahrenes Team von insgesamt 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bildet die wichtigste Ressource des international erfolgreichen Büros für Architektur, Städtebau und Gestaltung Sauerbruch Hutton. Eng vernetzt, interdisziplinär und in einem intensivem dialogischem Prozess entstehen Projekte weltweit, so wie beispielsweise das M9 – Museum für die Geschichte des 20. Jahrhunderts in Venedig. Welche Erfahrungen Bettina Magistretti und David Wegener von Sauerbruch Hutton in Italien bereits gesammelt haben, teilen sie mit uns in diesem Interview.
NAXNAX Netzwerk Architekturexport: Der italienische Markt gilt auf Grund seiner vielen Normen und Regeln als sehr herausfordernd. Ihr Büro hat es trotzdem gewagt und das M9 – Museum für die Geschichte des 20. Jahrhunderts – in einem neu entstehenden Museumsviertel in Mestre, auf Venedigs terra ferma, erfolgreich realisiert. Es soll auch als Triebfeder einer angehenden Stadterneuerung fungieren. Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an dem Projekt?
Bettina Magistretti/David Wegener: Das M9 ist als ein aktives Museum konzipiert, mit niedrigen Schwellen zwischen Innen und Außen. Genau wie von Ihnen beschrieben, ist das M9 mehr als ein Museumsentwurf. Schließlich zielt das Projekt auf die Revitalisierung eines ganzen Stadtquartiers, das neue Wegeverbindungen schafft und über seine Grenzen ins Zentrum Mestres ausstrahlt. Dabei ist auch ein Bewusstsein vom Wert nachhaltiger Kontinuität in den Entwurf eingeflossen. Vor allem die urbane Konstellation unterstreicht ein synergetisches Nebeneinander unterschiedlicher Epochen und Generationen. Der Neubau, deutlich sichtbar im 21. Jahrhundert verankert, reagiert auf vorgefundene Strukturen und ist auf Kontinuität angelegt. Und auch in der Kompaktheit seines Volumens, der Effizienz seiner Struktur, der Flexibilität der Ausstellungsflächen sowie der Wahl der Materialien und Technikkomponenten ist der Entwurf am Leitthema der Nachhaltigkeit ausgerichtet.
NAX: Wie konnten Sie diesen Auftrag akquirieren und was ist Ihre Akquise-Strategie in Italien?
Bettina Magistretti/David Wegener: Das Projekt ging aus einem 2010 ausgetragenen internationalen Wettbewerb als Gewinner hervor. Seither beobachten und analysieren wir weiterhin gemeinsam mit unseren lokalen Partnern ständig aktuelle Wettbewerbsauslobungen in Italien. Zudem pflegen wir intensiv unser Netzwerk mit kulturellen Einrichtungen, Stakeholdern und mit potentiellen privaten Bauherren.
NAX: Die vielen Auflagen, Regeln und Normen im Bauwesen, die nicht nur von Provinz zu Provinz variieren, sondern auch unterschiedlich interpretiert werden können, machen einen Alleingang als ausländischer Architekt in Italien schwer. Oftmals ist es nötig, mit einem spezialisierten Dienstleister oder einem lokalen Partner zusammenzuarbeiten. Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?
Bettina Magistretti/David Wegener: Tatsächlich war das M9 nicht unser erstes Projekt in Italien. So hatten wir kurz vor dem Gewinn des Wettbewerbs ein Bürogebäude in Mailand fertiggestellt. Auf den dort gesammelten Erfahrungen konnten wir aufbauen. Zudem konnten wir unser eigenes Projektteam mit einigen Mitarbeitenden besetzen, die bereits Erfahrungen mit dem italienischen Markt hatten. Gemeinsam mit dem Projektsteuerer und den Kontaktarchitektinnen vor Ort haben wir dann frühzeitig ein zuverlässiges Team gebildet. Auch die verschiedenen Behörden wurden von Beginn an eng in die Planungsprozesse eingebunden.
NAX: Da Italien keine verbindliche Honorarverordnung hat, sind hohe Preisnachlassforderungen üblich und Architekturschaffende werden z.T. auch unterdurchschnittlich vergütet. Wie haben Sie das als ausländisches Büro in Italien wahrgenommen? Und was raten Sie Büros, die es dort versuchen wollen?
SauBettina Magistretti/David Wegener: Auf Basis der gängigen italienischen Honorarsätze haben wir mit dem Bauherren projektspezifische Honorarvereinbarungen getroffen. Im Falle von Änderungen im Projektverlauf, die Baukosten, Planungs- oder Bauzeit betreffend, waren darin auch spätere Anpassungen vorgesehen. Für eine erfolgreiche Arbeit in Italien halten wir die Kooperation mit einem guten lokalen Partner für unerlässlich. Flexibilität gegenüber vom Gewohnten abweichenden Arbeitsweisen und Respekt gegenüber allen Beteiligten ist Voraussetzung. Muttersprachler im eigenen Büro, die die Kultur Italiens kennen und verstehen, sind ein großer Vorteil.
NAX: Bleiben Sie auf dem italienischen Markt aktiv?
Bettina Magistretti/David Wegener: Selbstverständlich. Das M9 in Mestre ist ein herausragendes Referenzprojekt. Dieses Momentum möchten wir nutzen und beteiligen uns weiterhin an Wettbewerben und Studienaufträgen in Italien.
Vielen Dank für das Interview an Bettina Magistretti und David Wegener von Sauerbruch Hutton.