Brexit – Was deutsche Planer jetzt wissen sollten

Nach dem Referendum ist vor dem Brexit:

Brexit

BrexitRocco Dipoppa/Unsplash

Ob man den 23.6.2016 nun als Feiertag zelebriert oder als „schwarzen Donnerstag“ verdammt, eines steht fest: Das „Ja“-Votum Großbritanniens für den Ausstieg aus der EUEU Europäische Union hat nicht nur auf die britische Wirtschaft erhebliche Auswirkungen, sondern wird auch für deutsche Exporteure einiges verändern. Doch wie genau sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich nach dessen offiziellen EU-Austritt zum 29.3.2019 gestalten werden, lässt sich bisher nur vermuten. Denn es ist zu erwarten, dass sich die Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und den verbleibenden 27 EU-Staaten noch über das ganze nächste Jahr erstrecken werden. Auf welche Veränderungen sich deutsche Architekten gefasst machen müssen, haben wir hier für Sie zusammengefasst.


Business as usual nach dem 29.3.2019?

Grundsätzlich gilt: In der Zeit bis zum offiziellen EU-Austritt am 29.3.2019 ändert sich nichts – weder am britischen Recht, noch an den Arbeits- und Importbedingungen für ausländische Unternehmer. Und auch nach diesem Stichtag könnte vieles zunächst bleiben wie zuvor, dafür sorgt die sogenannte „Great Repeal Bill“. Diese besagt unter anderem, dass alle bereits in Kraft getretenen EU-Gesetze in die britische Gesetzgebung übernommen werden, sodass auch nach März 2019 keine Rechtslücken entstehen.

Allerdings plant die britische Regierung nach bisherigem Stand einen „harten Brexit“, d.h. einen Ausstieg aus der Zollunion und dem EU-Binnenmarkt. Damit würde der Export von Waren oder Dienstleistungen nach Großbritannien nicht nur umständlicher, sondern auch teurer. „Mit einem EU-Austritt ohne [Handelsabkommen] würde das Vereinigte Königreich zu einem Drittstaat wie die USA oder Japan“, erklärt Stefanie Eich, Managerin im Zollbereich bei Germany Trade & Invest (GTAIGTAI Germany Trade & Invest) in einem Brexit-Spezial. Zumindest für den Warenexport benötigen Firmen dann eine spezielle Software oder müssen die Ausfuhr online beim deutschen Zoll beantragen. Zusätzlich würden natürlich auch Zollgebühren fällig. Wie hoch diese ausfallen werden, ist laut GTAI noch unklar. Vieles spreche jedoch dafür, dass Großbritannien nach dem Austritt den bisherigen EU-Zolltarif übernehmen werde.

Den unkomplizierten Export von Dienstleistungen – wenn also ein deutsches Architekturbüro ein Projekt in London plant –  ermöglicht bisher die sogenannte Dienstleistungsfreiheit als eine der vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes. Ob und in welchem Umfang die Dienstleistungsfreiheit auch nach dem Brexit bestehen bleibt, wird maßgeblich durch ein noch zu verhandelndes Abkommen zwischen der EU und dem Vereinten Königreich bestimmt. Der Bundesverband der Freien Berufe (BFBBFB Bundesverband der Freien Berufe e.V.) fordert in seinem Positionspapier zum Brexit, zu dem auch die Bundesarchitektenkammer beigetragen hat, die Verhandlungspartner auf, die Dienstleistungserbringung in einem Handelsabkommen nicht durch neue Hemmnisse zu erschweren. Inwiefern die britische Regierung und die EU darauf eingehen werden, ist noch offen.


Zulassung für Architekten wird schwieriger

Eine der wichtigsten Voraussetzungen, um als Architekt im Ausland planen und bauen zu können, ist die Anerkennung des Berufsabschlusses durch die nationalen Behörden. Zurzeit werden Universitätsabschlüsse, die in einem EU-Land erworben wurden, automatisch vom britischen Architects Registration Board (ARBARB Architects’ Registration Board) anerkannt. Dies wird sich nach jetzigem Stand ab dem 29.3.2019 jedoch ändern, denn Großbritannien hat mit keinem Land außerhalb der EU ein sogenanntes Mutual Recognition Agreement geschlossen. Sollte sich Großbritannien mit den 27 verbleibenden EU-Ländern nicht auf ein vereinfachtes Anerkennungsabkommen für Abschlüsse einigen, blieben deutschen Architekten in Zukunft zwei Möglichkeiten, eine Zulassung als Architekt im Vereinigten Königreich zu erwerben: Das ARB bietet an, Abschlüsse von Ausländern als Einzelfall zu prüfen, dafür werden jedoch sehr hohe Gebühren fällig. Alternativ können beim ARB und einer der anerkannten Schools of Architecture Prüfungen abgelegt werden, die zur Registrierung als Architekt in Großbritannien befähigen. Das Royal Institute of British Architects (RIBARIBA Royal Institute of British Architects) fürchtet unterdessen, dass diese zeit- und kostenintensiven Anerkennungspraktiken viele europäische Architekten vom britischen Markt fernhalten und so zu einem Fachkräftemangel führen könnten. RIBA und die Bundesarchitektenkammer  bzw. der Bundesverband der Freien Berufe fordern daher eine liberale Einwanderungspolitik, die der britischen Baubranche weiterhin Zugang zum europäischen Talentpool bietet. Da jedoch die hohe Arbeitsmigration auf die britische Insel eines der Hauptargumente der „Leave“-Kampagne war, sollten sich europäische Architekten nicht darauf verlassen.


Änderungen bei Standards und Normen zunächst nicht zu erwarten

Aufgrund der erwähnten „Great Repeal Bill“ sind nach dem endgültigen Brexit im März 2019 keine unmittelbaren Änderungen bei den britischen Bau- und Energiestandards zu erwarten. Bereits bestehende Normierungsregeln werden in die britische Gesetzgebung übernommen. Die British Standards Institution BSI wird nach Informationen des RIBA weiterhin Mitglied in der International Organization for Standardization und der International Electrotechnical Commission bleiben und hat darüber hinaus keine Pläne, die europäischen Normungsorganisationen CENCEN und CENELEC zu verlassen. Zukünftige Energieeffizienzprogramme dürften es unter der aktuellen Tory-Regierung jedoch schwer haben. Eine geplante Zero-Carbon-Pflicht für neue Wohnbauten ab 2016 und alle weiteren Gebäude ab 2019 wurde bereits zurückgenommen. Die Anpassung aktueller Gesetze zur Gebäudeenergieeffizienz dürfte für die britische Regierung nach dem EU-Austritt deutlich leichter werden.


Britische Bauwirtschaft verunsichert

Der Brexit lässt nicht nur ausländische Unternehmen skeptisch in die Zukunft schauen. Auch die britische Bauwirtschaft hadert mit der fehlenden Planungssicherheit der nächsten Jahre. Dies zeigen vor allem die Wachstumsprognosen des britischen Bausektors für 2017 und 2018 durch die Construction Products Association (CPA): Laut GTAI rechnet sie für 2017 lediglich mit einem  Wachstum von 0,8 Prozent bzw. von 0,7 Prozent für 2018. Damit würde die Branche so stark schrumpfen wie seit sieben Jahren nicht mehr. Diese Zahlen beziehen sich allerdings auf ein „mittleres Brexit-Szenario“. Sollte es zum „worst case“, also einem harten Brexit mit starken Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und hohen Zollgebühren kommen, ist eher mit einem negativen Wachstum zu rechnen. Zahlreiche Großprojekte, wie der Ausbau des Flughafens London-Heathrow oder das Projekt „Gotham City“, wurden bereits auf unbestimmte Zeit verschoben. Vor allem im Bereich der Bürogebäude zeichnet sich ein düsterer Trend ab: Die CPA rechnet mit einem Wachstumsrückgang von -3,6 Prozent, besonders Finanzbauten sollen betroffen sein.


Chancen für deutsche Architekten bleiben

Für ein wenig Optimismus unter deutschen Architekturexporteuren dürfte jedoch der Anfang des Jahres durch die britische Regierung verkündete Bau von 17 neuen Städten und Gemeinden sorgen. Verteilt in ganz England sollen insgesamt 200.000 Häuser entstehen, um so der Wohnungsnot in Cornwall, Cumbria und Essex entgegen zu wirken. Die Planung der Großprojekte wird von den jeweiligen Stadtverwaltungen übernommen. Auch deutsche Architekten haben hier Chancen, an Aufträge zu gelangen, denn der Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und Wettbewerben bleibt ihnen erhalten. Dieser ist nämlich unter anderem durch das internationale Government Procurement Agreement der WTO gesichert, aus dem sich die Briten nicht zurückziehen werden. Weiterhin bestehen Chancen für deutsche Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen im Bereich des Denkmalschutzes. Das britische Parlamentsgebäude, eine der bedeutendsten Landmarken in der Londoner Skyline, soll ab 2020 umfangreich für knapp 6 Mrd. £ restauriert werden.

Stand: November 2017


Quellen:

Germany Trade & Invest (GTAI):

Royal Institute of British Architects (RIBA):

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