Priedemann Facade Experts ist langjähriger NAXNAX Netzwerk Architekturexport-Pate und hat ebenso langjährige Projekterfahrung in Saudi-Arabien. Micha Pawelka, COO und Prokurist bei Priedemann, berichtet uns im Interview, wie die Chancen für deutsche Planende in Saudi-Arabien stehen, worauf es dabei ankommt und wieso uns das saudische Volk näher ist, als vielleicht gedacht.
NAX: Welche Nische sehen Sie für deutsche Architekturbüros in Saudi-Arabien?
Pawelka: Ich würde das, was einen deutschen Architekten in Saudi-Arabien erwartet, weniger als Nische, denn mehr als generelle Chance beschreiben. Die Saudis halten weiterhin große Stücke auf die deutsche Kunst um Ingenieure, Architekten, unseren Auto- und Maschinenbau. Saudi-Arabien sucht händeringend nach Architekten für die vielen Projekte, die dort entstehen. Man schätzt die deutsche Qualität in Design und Exekution.
In Saudi-Arabien zählt Größe in vielen Belangen: Die Saudis lieben große Namen und sind es gewohnt, Architekturkonzepte von internationalen Büros zu kaufen und diese dann lokal von sogenannten Generalplanern zu Ende entwerfen, ausschreiben und bauen zu lassen. Der Konzeptarchitekt dann in der Regel maximal die Funktion für Design-Supervision oder architectural guardianship.
Außerdem sind die Projekte oft sehr groß und extrem außergewöhnlich. Man geht gern neue Wege und liebt es dafür, von einem großen Team bedient zu werden. Ein deutsches Büro kann aber eine ggf. fehlende Größe kann mit Kooperationen, einem Bieterteam, ausgleichen. Einem deutschen Team wird vertraut.
Man sieht deutsche Architekten aber auch insofern kritisch, als dass unser deutsches Architekturdesign eher klassisch, geradlinig und weniger progressiv empfunden wird. Uns haftet eine gewisse Scheu vor dem Neuen, dem Ungewöhnlichen an. Deutsche Architekten stehen vor der Herausforderung zu zeigen, dass sie auch Künstler und Designer sind. Ein progressiver Approach ist wichtig.
Ajyad Bir Balilah Hotel, MeccaErga Group Overseas SAL
3B2 Western Main Metro Station, RiyadhOmrania
NAX: Inwiefern lassen sich soziale und ökologische Nachhaltigkeitsansprüche in Projekten vor Ort umsetzen?
Pawelka: Es ist Teil der Strategie des Königshauses, weniger darüber zu sprechen, wie man diesem Thema begegnet. Das ist schade, als denn es gibt hierzu deutlich mehr positive Arbeit im Land, als wir sehen. Zum Beispiel der King Salman Park, ein Park mitten in Riyadh, der in der Größe New Yorks Central Park übertreffen wird. Es entsteht der Riyadh Sports Boullevard, ein 15 Kilometer langes Outdoor-Mixed-Use Development, autofrei, nachhaltig, grün, Nachhaltige Energiegewinnung, water und waste-water treatment sind in allen Neom-Projekten essenzieller Bestandteil. Die Regeln, wie beim Bau von The Line mit dem Umsetzen von Bäumen und dem Zählen und Umsiedeln von Echsen und anderen Tieren umgegangen wird, sind nicht viel anders als bei uns. Es gibt hohe Strafen bei Nicht-Einhaltung. Saudi-Arabien hat ein junges Volk, und modernisiert sich rasend schnell. Es ist Fußall-verrücktes Volk, das sich nicht zu schade ist, einfache Arbeiten anzunehmen. Hinzu kommt, dass sie fantastische Universitäten haben. Das alles sind Rahmenbedingungen, die viel besser zu uns Deutschen passen, als wir denken. Man wird unseren sozio-ökonomischen Designapproach schätzen, wenngleich er auch von den Lenkern limitiert werden wird.
Deutschen Planern muss aber auch klar sein, dass man in Saudi in Sachen Zirkularität und Nachhaltigkeit bei Baustoffen noch lange nicht so weit ist wie in Deutschland. Da genug Geld da ist, wird man sich Nachhaltigkeit eher im Konzept eines Projektes erkaufen als darauf zu achten, dass es bis zur letzten Schraube umgesetzt wird. Darauf müssen wir flexibel und mit Akzeptanz reagieren.
NAX: Was sollte man wissen, wenn man sich als Architekturbüro in Saudi-Arabien engagieren möchte?
Pawelka: Man braucht weiterhin einen langen Atem, denn die Strukturen um PIF (Public Investment Fund, die Saudische Rentenkasse), Neom und alle anderen Developer sind eher neu im Auf- und ständigen Umbau. Hinzu kommt, dass die großen Entscheidungen nahezu allesamt und ausschließlich direkt vom Kronprinzen Mohammed bin Salman getroffen werden. Die Budgetfreigaben dauern lang und die Ausschreibung und Vergaben sind langwierig.
Das Land ist deutlich offener geworden. Visa-Beantragungen und Reisen allgemein ist einfacher, es findet eine Vermischung zwischen den Geschlechtern statt und alles ist viel weniger steif als noch vor ein paar Jahren. Natürlich sollte man weiterhin die üblichen Gepflogenheiten in der Arabischen Welt beachten und keine Diskussionen über (Welt-) Politik oder Geschlechtergleichstellung führen. Da ein Großteil der Projekte top secret sind, gibt es strenge Geheimhaltungsvereinbarungen und man darf lange nicht darüber sprechen, woran man arbeitet. Daher sind Initiativbewerbungen von Architekten herausfordernd. Insofern wäre es notwendig und wünschenswert, dass auf höchster Ebene eine Vernetzung durch NAX, die BAKBAK Bundesarchitektenkammer und das Wirtschaftsministerium stattfindet.
NAX: Wir danken herzlich für das Interview!